Bernd & Hilla Becher
Fabrikhallen (Neurath, Germany 1962; Ensdorf, Saar, Germany 1979; Charleroi, Belgium 1983; Gelsenkirchen/Ruhr, Germany 1985)
1962-1985
4 Gelatin silver prints
four-part, each 30 × 40 cm | 11 3/4 × 15 3/4 in
verso each by both artists signed, titled, dated and "1-4" numbered
Victoria Miro Gallery, London; Private Collection Japan
- Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Herbst 2021", Düsseldorf 2021
- Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Herbst 2021", Düsseldorf 2021, S. 14
- Bernd und Hilla Becher, "Fabrikhallen", München 1994, Nr. 1, 19, 74, 103
Bernd und Hilla Becher waren von zentraler Bedeutung für die Anerkennung der Fotografie als Kunstform. Ohne ihre als »Typologien« bezeichneten, in Gruppen gehängten Schwarz-Weiß-Fotografien von Industriebauten, ohne ihren Schritt in die Museen und Bernds Lehrauftrag an der Kunstakademie in Düsseldorf (1976-96) schrieben wir heute eine andere Kunstgeschichte. Ihre konsequente Vorgehensweise war dabei über vier Jahrzehnte hinweg immer gleich: bei diffusem, schattenlosem Licht haben sie aus leicht erhöhter Position1 unter anderem Kühl- und Wassertürme, Getreidesilos, Hochöfen und Industrielandschaften zentral und möglichst neutral ins Bild gesetzt. Auf den ersten Blick erinnert diese Vorgehensweise mit ihren technisch perfekten, kühlen Abzügen an Dokumentarfotografie, dennoch kann man den Bildern eine bestechende Ästhetik nicht absprechen. Die Bechers lösen die Motive aus ihrem Zusammenhang und zeigen durch die typologische Hängung die Unterschiede von Bauwerken mit gleicher Funktion und gleicher Struktur auf. Wie Archäologen haben sie mit dem Fotoapparat Bauten festgehalten, die dem Abriss preisgegeben wurden und auf diese Weise Spuren industrieller Fertigung und Arbeit aufbewahrt. Bei ihnen werden die Industriebauten zu »Anonymen Skulpturen« (so auch der Titel der Ausstellung in der Kunsthalle Düsseldorf 1969) und Dokumentation zum künstlerischen Konzept. Auch wenn die Konstrukteure der Bauten nur an deren Funktion interessiert waren, schaffen es die Fotografen, deren besondere Ästhetik und auch Schönheit zu zeigen. Durch das Medium der Fotografie und die besondere Aufnahmetechnik der Bechers wird das Auge des Betrachters auf Formen, Asymmetrien und Symmetrien, Oberflächenstrukturen und Proportionen gelenkt, die sonst kaum sichtbar geworden wären. So wird die Betrachtung jedes einzelnen Blattes zum künstlerischen Genuss.
Auch in unserer Arbeit mit vier Fabrikhallen aus Deutschland und Belgien von 1962-1985 werden diese funktional-konstruktiven und systematisierenden fotografischen Mittel angewendet. Die architektonischen Gesetzmäßigkeiten werden auf den Bildaufbau übertragen. Ganz dem Prinzip »form follows function« folgend, leiten sich sowohl die Formgebung der realen Architektur, als auch die Komposition ihres Abbildes von ihrer praktischen und funktionellen Bestimmung ab.
1 Die Bauwerke werden nicht ebenerdig fotografiert, sondern es werden Leitern oder Kräne benutzt, die einen erhöhten Aufnahmestandpunkt ermöglichen.