Klaus Fußmann
Garten Gelting
2020
Klaus Fußmann sucht in seinem zweiten Heimatort Gelting an der Ostsee bevorzugt die künstlerische Auseinandersetzung mit der Natur. Vor allem sein Garten dient ihm als scheinbar unversiegbare Inspirationsquelle. Es scheint, als würde der Künstler versuchen, sich hier im Ausgleich zu seiner Berliner Heimat von Zeit zu Zeit ›einzunorden‹: »[…] ich ziehe diese unsichtbaren Wurzeln hinter mir her, sie hängen mir vom Rücken herunter, wenn ich in Gelting in unserem Garten male, und sie halten Verbindung mit der Erde. Sie halten mich fest.« 1
Im Wechselspiel der Jahreszeiten fängt der Maler hier die zahlreichen und sich stets im Wandel befindenden Zustände der Natur künstlerisch ein. Als wolle Fußmann das Schöne in seinem Werk archivieren, dokumentiert er gleichzeitig – der Wendeseite der Medaille ähnlich – das Vergängliche und Morbide. »Man sieht den meisten Bildern Klaus Fußmanns an, dass sie im Wettlauf mit der Zeit entstehen. Er möchte, dass der ständige Fluss der Veränderung spürbar bleibt.«2 Wie es die Natürlichkeit seiner Blumenstillleben bereits verrät, ist es Fußmann bei der Gestaltung seines Gartens sehr daran gelegen, die Natur nicht artifiziell zu beschneiden und unterzuordnen, sondern wie in einem gepflegten Wildgarten blühen hier ungezwungen unzählige Blumen und Pflanzen in ihrer vollen Farbenpracht das gesamte Gartenjahr hindurch. Obgleich der Künstler die Blumen seines Gartens auch zu Sträußen arrangiert, tendiert er dazu, direkt nach dem Vorbild im Garten zu malen.3
Nicht nur aufgrund seiner unterschiedlichen Perspektiven, sondern auch durch die Wahl verschiedener Bildausschnitte, variieren seine Blumenstillleben voneinander und bewahren sich dadurch ihre Einzigartigkeit. So versteht es Fußmann bei unserer schönen Gouache »Margeriten« aus dem Jahr 2019, die hellen Blütenblätter vor dem dunkelgrünen Grund abzuheben und so besonders zum Strahlen zu bringen. Dass seine Motivation nicht in der reinen Nachahmung der Natur liegt, erklärt Fußmann in seinem Aufsatz »Der holde Widerspruch« von 1988 eingängig: »Wir können die Blumen in der Kunst nur umkreisen. Wir können durch Reduzierung auf das Wesentliche etwas vom Wesen der Blumen erfahren, und gelangen so, jedenfalls im Begrifflichen, sogar zu einer übersteigerten Vorstellung; aber jede gemalte Blume ist eine Abstraktion.«4
Bei unserer Gouache »Rosen und Dahlien« von 2019 abstrahiert Fußmann vor allem die Blütenstände. Die ineinanderfließenden Farben bestechen durch ihre besondere Leichtigkeit und Brillanz. Fußmann selber äußert sich über die Farbenpracht der Blumen: »Die Farben der Blumen übertreffen unsere Erwartung meist noch bei weitem, denn sie sind immer noch reicher, wenn wir Ihnen gegenüberstehen. Sie sind nicht nur strahlender als in unserer Vorstellung, sondern meist auch raffinierter in den Valeurs.«5 Trotz dieser Unmöglichkeit, die Natur getreu wiederzugeben, erkennt Dr. Tayfun Belgin, Direktor des Karl Ernst Osthaus Museums, Fußmanns besonderes Talent treffend: »Die Fähigkeit, Dinge in der Natur zu sehen und diese in einer fast abstrakten Bildsprache mit einem lyrischen Impetus gegenstandsgebunden auf die Leinwand zu heben, ist eine der größten Begabungen, die einen Maler auszeichnet.«6
1 Zit. nach: Klaus Fußmann, »Malerei und die Vergangenheit«, in: Altonaer Museum in Hamburg-Norddeutsches Landesmuseum, »Klaus Fußmann. Bilder aus Schleswig-Holstein«, Ausst.-Kat., Hamburg 2001, S. 16.
2 Zit. nach: Heinz Spielmann, »Klaus Fußmann. ›Lob der Vergänglichkeit‹. Bilder aus drei Hamburger Privatsammlungen. Ausstellung und Katalog zum 70. Geburtstag des Künstlers am 24. März 2008«, Ausst.-Kat., Kunst in der Handelskammer, Hamburg 2008, S. 11.
3 Vgl. ebd. S. 82.
4 Z it. nach: Klaus Fußmann, »Gartenblumen«, Krefeld 1988, S. 15.
5 Ebd.
6 Zit. nach: Tayfun Belgin, »Klaus Fußmann – Nie endende Malerei«, in: Galerie Ludorff, »Klaus Fußmann. Anläßlich seines 70.
Geburtstags. Arbeiten von 1970-2008«, Ausst.-Kat., Düsseldorf 2008, S. 10.