Lyonel Feininger

Ausfahrende Barke
1931

Lyonel Feininger, Ausfahrende Barke
© VG Bild-Kunst, Bonn

Tusche und Aquarell auf Papier

30.5 × 47 cm | 12 × 18 1/2 in

Signiert, "27 7 31" datiert und betitelt

Registriert im Archiv des Lyonel Feininger Project LLC New York/Berlin unter der Nr. 1384-07-23-15

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Expertise

Achim Moeller, Geschäftsleiter des Lyonel Feininger Project LLC, New York

Provenienz

Willard Gallery, New York; Privatsammlung Maine

Lyonel Feininger zieht im Alter von 16 Jahren gemeinsam mit seinen deutschstämmigen Eltern aus den USA zurück in deren Heimatland. Dort arbeitet er zunächst als Grafiker und Karikaturist und widmet sich erst im Alter von 36 Jahren der Malerei. Als 1931 das Aquarell »Ausfahrende Barke« entsteht, wird Feininger unmittelbar mit der durch die Nationalsozialisten angeordneten Schließung des in Dessau ansässigen »Bauhauses« konfrontiert. 1918 war die Hochschule von ihm und Walter Gropius in Weimar gegründet worden und Feininger wurde Leiter der grafischen Werkstatt. In den darauf­folgenden Jahren bestimmte er den Erfolg und Einfluss der weltweit bedeutenden Kunsthochschule maßgeblich mit. Zusammen mit Alexej von Jawlensky, Paul Klee und Wassily Kandinsky gründete er 1924 »Die Blauen Vier (Blue Four)«, insbesondere um Ausstellungen und Verkäufe in die USA zu vermitteln. Bereits seit dem Ende der 20er Jahre kann er schließlich auch auf dem amerikanischen Markt erste Erfolge verzeichnen.

In Feiningers gesamtem Œuvre nimmt die Themen- und Bildwelt von Meeres- und Küstenlandschaften, in denen sich Boote, Segelschiffe und Dampfer ihren Weg bahnen, eine zentrale Position ein. Seine Faszination liegt dabei in den sich ständig verändernden meteorologischen Phänomenen und Stimmungen auf hoher See, ebenso wie in den beeindruckenden Segel- und Schulschiffen begründet, die er bei seinen Atlantiküberfahrten miterlebt hat.

Unsere Aquarell- und Tuschezeichnung ist in mehrere, durch horizontale Linien angedeutete Ebenen geschichtet. In der vordersten erkennt man im Hellblau des Meeres die skizzenhaften Umrisse der obersten Segel eines Schiffes, das parallel zu der großen, dreimastigen Barke auf ruhiger See zu fahren scheint. In einer weiteren, durch die gebrochene Horizontlinie angedeuteten Ebene, ist ein weniger imposantes, wenngleich bese­geltes Schiff auszumachen. Die wenigen, diagonalen Striche im Himmel geben sowohl die Wind-, als auch die Fahrtrichtung der Flotte an. Durch die präzise, geometrisch­kristalline Linienführung gliedert Feininger die Komposition. Feine Konturen umreißen sowohl die spiegel­glatte Wasseroberfläche, als auch die Hauptmerkmale der Segelschiffe, die sich durch ihre kubistische Form und farbliche Fassung spannungsvoll von der übrigen Bildfläche abheben und an einigen Stellen durch weiche Farbübergänge mit ihr verschmelzen. Indem Feininger das Kolorit weitgehend auf kühle blaue und warme gelbliche Aquarelltöne reduziert, er die Linien im Himmel über der Barke verdichtet und ihre Bewegungsrichtung vertikalisiert, entsteht der Eindruck, als würden die Schiffe in eine gerade entstehende Wetterfront hineinfahren.

Die Zeichnung »Ausfahrende Barke« stellt auf diese Weise sehr eindrucksvoll die Besonderheiten von Feiningers Aquarelltechnik unter Beweis: Nachdem der Künstler den gesehenen Farbeindruck auf seine Skizzen­blätter notiert, entwickelt er mit der Tuschefeder das kompositorische Gerüst, das er anschließend über die farbigen Flächen legt. Trotz der assoziativen Kraft, die diese linearen und menschenleeren Kompositionen inne­haben, entführt uns Feininger stets auch in eine abstrakte Zwischenwelt, in der Formen zerlegt und anschließend zu einzigartigen, neuen Bildräumen zusammengefügt werden. Im Vordergrund steht dabei nicht die realistische Abbildung spezieller Schiffstypen oder die exakte Wiedergabe der umgebenden Natur, sondern die Einbeziehung des Betrachters in die Weite des Meeres und die Unendlichkeit der Natur.

Über Lyonel Feininger

Lyonel Feiningers Einfluss auf die die Kunst des 20. Jh. ist eng verknüpft mit seiner 1919 begonnenen Lehrtätigkeit am Staatlichen Bauhaus in Weimar.

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