Max Liebermann

Der Nutzgarten in Wannsee nach Südosten
1923

Max Liebermann, Der Nutzgarten in Wannsee nach Südosten

Pastell auf Velin

12 × 19,5 cm

Signiert

Aufgenommen in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis der Pastelle, Aquarelle und Gouachen Max Liebermanns von Drs. Margreet E. Nouwen

95.000,00 €

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Expertise

Drs. Margreet E. Nouwen, Berlin

Provenienz

Privatsammlung Süddeutschland; Galerie Ludorff, Düsseldorf (2014); Privatsammlung Süddeutschland

Literatur
  • "Neuerwerbungen Frühjahr 2020", 2500, Galerie Ludorff, Düsseldorf, 2020

„Hier nun, wo andere ihre Sommerruhe gesucht und gefunden hätten, fand Liebermann nur eine Ruhe in ewig sich gleich bleibender Schaffenslust. Jeder Winkel des Gartens, bald die Birken als Hintergrund, bald die Blumenbeete in ihrer üppigen Farbenpracht, bald eine Gartenecke mit einer Bank und dem Enkelchen und deren Erzieherin, bald die mit zwei Baumreihen bepflanzte Straße hinter dem Haus entlang: immer wieder malerische Motive.“1)

Mit diesen Worten beschreibt der Schriftsteller Hans Oswald die intensive und inspirative Beziehung Max Liebermanns zu der prächtigen Gartenlandschaft seiner Residenz am Wannsee. Gemeinsam mit Alfred Lichtwark (1852-1914) plant und gestaltet der Berliner Maler nach 1909 am Seeufer einen repräsentativen Park und einen von norddeutschen Bauerngärten inspirierten Nutzgarten mit Blumenrabatten, Obst- und Gemüsebeet. Die üppige Vegetation, die schier unerschöpfliche Farbpalette und das lebendige Licht-Schattenspiel im Wandel der Tageszeiten sind Liebermann fortan unerschöpfliche Quelle malerischer Motive und Ausgangspunkt seines fulminanten Alterswerks.

Vereinzelt tauchen Gärten bereits in den Jahren 1870-1889 im Oeuvre Liebermanns auf, doch erst nach 1908 entdeckt er sie zaghaft als von der darin eingebetteten Architektur unabhängiges Bildthema. Intensiver wird die Beschäftigung, als ihm der Kriegsausbruch 1914 seine regelmäßigen Reisen nach Holland unmöglich macht und sich sein Lebens- und Schaffensmittelpunkt endgültig ganz nach Berlin und an den Wannsee verlagert. Insbesondere der Nutzgarten ist fortan Ausgangspunkt zahlreicher Arbeiten 2). Dabei stellen die Kreidestudien meist virtuose, spontan ausgeführte Ausdrucksvariationen der in Öl gemalten Fassungen dar. Vermutlich handelt es sich auch bei unserem Pastell um eine „Vorstudie zu dem Ölgemälde „Der Nutzgarten in Wannsee nach Südosten“ (Eberle 1923/20), wo im Hintergrund die Lindenhochhecke und ein paar Fenster im ersten Stock der Villa des Künstlers zu sehen sind“3).

Vergleicht man unser Pastell von 1923 mit früheren Gartenansichten, wird der veränderte Blick Liebermanns auf seine Umgebung und die zunehmend kühne malerische Umsetzung nachvollziehbar. Der Maler zeigt uns aus einer tief angesetzten Perspektive die Blumenrabatten im Nutzgarten vor der Villa. Vermutlich saß Liebermann beim Zeichnen, so hoch türmen sich die üppig blühenden Blumenstauden vor dem Betrachter. Die Distanz, mit der Liebermann in früheren Arbeiten den Park aus den Villenfenstern heraus wahrnimmt und festhält, ist dem unmittelbaren Natureindruck gewichen. Auch der Duktus ist auffallend gelockert, die ehemals dezent reduzierte Farbpalette großzügig erweitert und durch ein intensiv leuchtendes Kolorit ersetzt. Unwillkürlich fällt die Nähe zu Gartenansichten der von Liebermann bewunderten, französischen Impressionisten wie den Giverny-Bildern Claude Monets auf. Kaum kann sich der Betrachter der farbprächtigen Fülle der Blumen entziehen. Die flirrende Wärme und der intensive Duft eines Sommertages im Garten werden direkt spürbar.

Den Hintergrund schirmen dunkelgrüne – lediglich durch wenige virtuose Farbschattierungen angedeutete – Bäume ab. So lässt sich die Erläuterung von Agnieszka Lulinska auch auf unser Werk beziehen: „Hat er in seinen früheren Landschaftsdarstellungen sorgfältig komponierte Sehstücke geschaffen, arbeitet er jetzt mit frei gewählten Ausschnitten der Wirklichkeit. Indem er die Bedeutung der realen Bildmitte „schwächt“ und die Aufmerksamkeit auf die Bildränder lenkt, ordnet er den Bildausschnitt einem übergeordneten „plastischen Raum“ zu und verortet die einzelnen Darstellungen in einer weit über sie hinausgehenden ganzheitlichen Auffassung von Natur und Kunst.“4) Auch in unserem Pastell konzentriert sich Liebermann mutig auf einen stark begrenzten Bildausschnitt und einen engen Bildraum. So gelingt es ihm meisterhaft, der stark abstrahierten Szene – fernab einer schnelllebigen und mitunter bedrohlichen Umwelt – eine friedliche Intimität zu verleihen, die unser Pastell in die berühmten Gartenansichten des Spätwerks einreiht.

Anm.:

1) Hans Oswald (Hg.), „Das Liebermann-Buch“, Berlin 1930, S. 346.

2) Allerdings wählt er den für unser Pastell erkorenen Bildausschnitt äußerst selten (vgl. Margreet Nouwen, „Der Garten im Fluchtpunkt“, in: „Im Garten von Max Liebermann“, Ausst.-Kat. Hamburg/Berlin 2004/2005, S. 20 Abb.).

3) Margreet Nouwen, Expertise vom 14. Juli 2014.

4) Agnieszka Lulinska, „Der gelenkte Blick. Von Menschen und Räumen“, in: „Max Liebermann. Wegbereiter der Moderne“, Ausst.-Kat., Bonn/Hamburg 2011/2012, S. 160, 161.

Über Max Liebermann

Als einer der wichtigsten Vertreter des deutschen Impressionismus sind Max Liebermanns Genreszenen, Gartenbilder und Landschaften in großen Museen vertreten.

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