Stephan Balkenhol
Ohne Titel
2014
wood, painted
80 × 59.5 cm / 31 1/2 × 23 7/16 in
Signed and dated on the verso
We thank Stephan Balkenhol for the kind confirmation of the work̛s authenticity
The artist's studio; Pepe Cobo Gallery, Peru; Private Collection Spain
- Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Frühjahr 2024", Düsseldorf 2023
- Galerie Pepe Cobo, "Stephan Balkenhol – Obra reciente", Lima 2014
- Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Frühjahr 2024", Düsseldorf 2024, S. 8
Denkt man an Stephan Balkenhol, hat man aus Holz gestemmte Menschen vor Augen – Männer und Frauen, die repräsentieren ohne Abbild zu sein, die frei sind von jedem Pathos und auf nichts anderes verweisen als auf sich selbst. »Hier bin ich«, scheinen sie zu sagen und man fragt sich: »Wer bin ich?« Nicht vielen menschlichen Abbildern begegnet man, die so tiefgehende Selbstbefragungen anstoßen, die konfrontieren, nur indem sie da sind – geschichtslos, still und ohne Emotion. Das Potenzial von Balkenhols Skulpturen liegt genau in dieser Nullstellung. Sie sind die unbesetzte Projektionsfläche, in die man sich selbst ergänzt. Durch sie wird bewusst, was der Skulptur selbst verwehrt bleibt: lebendig zu sein.
Mit seinen holzgeschnitzten Figuren löst sich Balkenhol von vielem, was einst wortwörtlich in Stein gemeißelt war. Entgegen einem ästhetischen Ideal, das die Bildhauerei seit der Antike maßgeblich bestimmte, haben die Figuren des hessischen Künstlers nichts traditionell Schönes an sich. Sie verkünden keine Vollkommenheit, sind kein Symbol des Herrlichen – sie sind der Standard, das Mittelmaß, ein Abriss der Gesellschaft, die in ihrer Allgemeinheit ebenso wenig bestimmbar ist, wie die Figuren selbst.
Im Gegensatz zu seinen dreidimensionalen Skulpturen, die der Künstler aus mächtigen Holzstämmen herausarbeitet, formt er hier den Menschen als Relief in dicke Holzplatten hinein. Diente die Reliefkunst rückreichend in antike Hochkulturen primär als vermittelndes Medium, das Geschichten erzählt und in Form von Friesen profane und sakrale Architekturen mit idealisierten Göttern, Heroen und Menschen schmückt, erklärt es Balkenhol zur konkreten Aussage: »Ich bin«. Dass er sich bei der technischen Umsetzung auf einen Relieftypus bezieht, der sich weniger im europäischen als vielmehr im altägyptischen Raum durchgesetzt hatte, macht seinen künstlerischen Erneuerungswillen deutlich sichtbar. So domestiziert er mit seinen negativ erhabenen, anonymen Typen, was im klassisch geprägten Tiefrelief noch ideal sein musste. Wie in diesem Werk aus dem Jahr 2014 kann dann ein Frauenkopf, befreit von jedem Mythos, sich im Umriss grob markiert zeigen. Wie in einem Tagtraum gefangen blickt die Frau ins Leere. Sie drängt sich nicht auf, bleibt doch nur im Hintergrund – kann kein Vordergrund werden: Sie ist ein Mensch im Relief.