Messing und Zinn
66 × 81 × 62 cm l 26 × 32 × 24 1/2 in
Auflage Unikat
Werkverzeichnis Költzsch 1992 Nr. 250
Atelier des Künsterls; Marlborough Galerie, Zürich
- Galerie Hennemann, "Matschinsky-Denninghoff", Bonn 1980
- Goethe-Institut, "Attraction 1924-1969. Sculptures – Peintures – Gravures", Paris 1969
- Georg W. Költzsch/Anette Schwarz, "Matschinsky-Denninghoff. Monographie und Werkverzeichnis der Skulpturen", Köln 1992, Nr. 250
- Manfred de la Motte (Hg.), "Matschinsky-Denninghoff", Ausst.-Kat. Galerie Hennemann, Bonn 1980, o.S.
- Goethe-Institut, "Attraction 1924-1969. Sculptures – Peintures – Gravures", Ausst.-Kat., Paris 1969, Nr. 34
Seit Ende der 1950er Jahre ist in Design, Architektur und Skulptur eine neu gefundene Leichtigkeit im stilistischen Aufbau und Ausdruck zu konstatieren. Besonders die Skulptur erfährt eine Neuerung, die unter anderem auf den durch die Gebrüder Naum Gabo und Antoine Pevsner geprägten Konstruktivismus zurückzuführen ist. Bereits 1920 formulierten Gabo und Pevsner eine für die nach dem Zweiten Weltkrieg unmittelbar nachfolgende Bildhauergeneration bedeutende Schrift, »Das Realistische Manifest«, die in fünf Punkten das Selbstverständnis von Skulptur und Plastik neu definieren sollte. Raum und Zeit werden zu Maßstäben der Kunst erklärt und als Gegenspieler des Geschwindigkeitsfetisches im Futurismus berufen. Die Materialität des Stoffes soll ganz und gar in ihrer Ursprünglichkeit ohne Zutun von Farbe erscheinen und in der Umgebung bestehen. Dabei könnte kein anderes Element besser zur Verdeutlichung statischer Kräfte, Bewegung und Rhythmik ohne Volumen im dreidimensionalem Raum fungieren, als die Linie.1
Eine künstlerische Orientierung an dem »Realistischen Manifest« und der neuen Leichtigkeit der 1950er Jahre ist bei den Plastiken von Martin und Brigitte Matschinsky-Denninghoff nicht von der Hand zu weisen. Die dynamisch aufgelösten, plastischen Körper unterliegen stets einer über die Jahre hinweg gefestigten, technischen wie formalästhetischen Gesetz- bzw. Regelmäßigkeit. Sie bilden eigene Räume, in denen sie sich entfalten und mit denen sie in der industriellen Ursprünglichkeit der Materialien – Messing, Zinn, Kuper und in Großskulpturen für den Öffentlichen Raum auch Chromnickelstahl – gleichsam eine unauflösbare Symbiose einzugehen scheinen. Seit 1955, dem Jahr der Künstlerhochzeit, eröffnen die aus Linien, Stäben und Rohren zusammengesetzten Metallskulpturen eindringliche Durchblicke und bewegte Ansichten. Seit Ende der 1960er Jahre bestehen die Plastiken nicht mehr nur aus vertikalen und/oder horizontalen Stäben, die zu dynamischen Platten oder organischen Rohren werden, sondern auch die Diagonale kommt als Linie hinzu. Im Jahre 1967 ändert sich die Formsprache jedoch gänzlich: Die durch Leichtigkeit der Linie evozierte skulpturale Öffnung in den Raum hinein, wird nun durch kompakte kubische Formen ergänzt, sodass eine neue, in sich geschlossene dramatische Raumerfahrung erlebbar wird.2
In unserem Werk »Kala« aus dem Jahre 1968 bestehen die kubischen Formen aus zwei identischen Quadern, aus denen scheinbar belebte Rohre herausdringen und diese gleichzeitig durchbohren. Es entsteht eine geladene Dynamik, die Bewegung und Wachstum suggeriert. Die organische Bewegtheit der sich windenden Rohre wird nicht nur durch die Gegensätzlichkeit der voluminösen Körper betont, sondern auch durch den ganz typischen Matschinsky-Dennighoff’schen aufsteigenden Aufbau der Plastik von unten nach oben. Der Betrachter wird in den Plastiken von Matschinsky-Dennighoff so immerzu in einen spannungsvollen Austausch mit der ästhetisch sichtbar gemachten Widersprüchlichkeit zwischen Offen- und Geschlossenheit, Leichtigkeit und Volumen, Abstraktion und Figürlichkeit verwickelt.
1 Vgl. Naum Gabo/Antoine Pevsner, »Das Realistische Manifest«, Moskau 1920, S. 203–204.
2 Vgl. Georg W. Költsch, »Matschinsky-Denninghoff. Monographie und Werkverzeichnis der Skulpturen«, Köln 1992, S. 98.