Max Liebermann
Eislauf
1923
Radierung auf Bütten
Darstellung: 12,5 × 17,5 cm
Blatt: 34,2 × 41,8 cm
Signiert und "51/110" nummeriert
Auflage 110 signierte und nummerierte Exemplare für Cassirer Berlin
Werkverzeichnis Achenbach 1974 Nr. 59 b
Privatsammlung Rheinland
- Galerie Ludorff, "KUNST MACHT GLÜCKLICH - Online only", Düsseldorf 2020
- Galerie Ludorff, "KUNST MACHT GLÜCKLICH", Düsseldorf 2020, Nr. 44
- Sigrid Achenbach, "Die Druckgraphik Max Liebermanns", Heidelberg 1974, Nr. 59 b
Unter dem Eindruck der Radierungen von Rembrandt entwickelt Max Liebermann während seines Aufenhalts in Paris ab 1873 ein reges Interesse für die Radiertechnik. Bis er sich selbst an diese Technik wagt, vergehen jedoch noch einige Jahre. 1876 beginnt er mit einer für die Zeitschrift „Gazette des Beaux-Arts" zur Reproduktion bestimmten Radierung. Zudem wird der Künstler Mitglied der niederländischen Künstlervereinigung „Nederlandsche Etsclub“, deren Bestreben die Wiederbelebung der Kunst der Radierung in den Niederlanden war. 1889 stellt Liebermann erstmals mit anderen Künstlern der Vereinigung aus. Ab 1890 entstehen die ersten freien Arbeiten, wobei er zunächst ausschließlich seine eigenen Gemälde in Radierungen übersetzt. Das für Liebermann typische, fast nüchterne nordische Licht lässt sich auch in seinen frühen Graphiken entdecken. Nach der eher unregelmäßigen Auseinandersetzung mit den graphischen Mitteln, kommt es spätestens ab 1908 zu einem Umschwung. In der „Schwarz-Weiß“-Ausstellung der Secession von 1908 zeigt Liebermann insgesamt 59 Radierungen, die mit lobender Anerkennung von der breiten Kunstkritik gewürdigt werden.
Unsere Graphik „Eislauf“ aus dem Jahr 1923 zeugt von der äußerst versierten Technik des mittlerweile erfahrenen Graphikers Max Liebermann. Er zeigt dem Betrachter auf dem kleinen Blatt eine Waldszene mit einem zugefrorenen Weiher, auf dem sich zahlreiche Personen, größtenteils Kinder, im Eislaufen üben. Rechts im Bild befinden sich einige modisch gekleidete Mütter, die ihnen hierbei zuschauen. Zahlreiche hohe Bäume säumen den Rand des Weihers. Die Grenze zwischen Gewässer und Land ist im Hintergrund kaum mehr auszumachen. Die stark perspektivische Fluchtung lässt den Bildraum wie eine Bühne erscheinen, die von den Kindern bespielt wird. Die Leichtigkeit ihrer Bewegungen wird durch den Schwung der Linien sehr schön veranschaulicht. Es geht Liebermann nicht um eine präzise Wiedergabe des Gesehenen. Er ist vielmehr bestrebt, den gewonnenen Eindruck skizzenhaft zu schildern.
Die Linie ist dabei nicht nur Umrandung der Figuren. Sie öffnet sich immer wieder, um sich einer allzu festen Statik zu entziehen. So lösen sich beispielsweise die Bäume im Hintergrund in ein dichtes Netz einzelner Striche auf, das den Weiher abschirmt und trotz der Kälte des Winters als geborgenen Ort des Spiels zur Geltung kommen lässt. Die bereits eingangs beschriebene bühnenhafte Erscheinung der Eisfläche erzielt Liebermann auch dadurch, dass er den Eisgrund nahezu unbehandelt lässt. In raschen Schwüngen skizziert Liebermann in diesem Bereich lediglich einige Fahrspuren der Kinder. Er nutzt die graphischen Mittel, um dem geübten Betrachter auf diese Weise nicht nur die Dynamik des fröhlichen Kinderspiels, sondern auch die wunderbare Dynamik seiner graphischen Linienführung zu präsentieren.
Seine große Begeisterung für die Graphik und die Leidenschaft für seine Suche nach den richtigen Ausdruck bringt ein Roman der Gebrüder Concourt zum Ausdruck, in welchem Liebermann wie folgt zitiert wird: „Man müsste eine Linie finden, die das Leben und nur das Leben gäbe, die ganz dem Individuum, der Eigenart auf den Leib rückte, eine lebendige, menschliche, vertraute Linie..."1)
Anm.: 1) Bernd Küster, „Max Liebermann. Ein Maler-Leben“, Hamburg 1988, S. 154.