Kunstpalast, Düsseldorf:
"Gerhard Richter – Verborgene Schätze. Werke aus rheinischen Privatsammlungen"
05. September 2024 – 02. Februar 2025
Die große Herbstausstellung des Düsseldorfer Kunstpalast vereint mehr als 130 Arbeiten aus allen Schaffensphasen und Werkgruppen Gerhard Richters. Bei vielen der ausgewählten Arbeiten handelt es sich um Verborgene Schätze: Werke aus Privatsammlungen, die zuvor selten oder sogar noch nie öffentlich gezeigt wurden. In der umfassendsten Gerhard Richter Ausstellung in Deutschland seit über zehn Jahren geben diese Arbeiten Einblick in das gesamte Spektrum seiner Kunst – von den Anfängen in den frühen 1960er Jahren bis in die jüngste Vergangenheit.
Die Ausstellung lenkt den Blick auf das Rheinland als ein ideales Umfeld, in dem sich das Werk von Gerhard Richter seit seiner Übersiedlung aus Dresden im Jahr 1961 entfalten konnte. Hier traf er auf Gleichgesinnte wie Sigmar Polke und Konrad Lueg, auf Vorbilder und Reizfiguren wie Joseph Beuys und schließlich auch auf eine so neugierige wie umtriebige Sammler*innenschaft, die sich rund um die jungen Galerien in Düsseldorf und Köln gebildet hatte.
Die gezeigten Werke wurden von engagierten Sammler*innen und seit den 1980er Jahren auch von großen Unternehmen erworben, zum Teil mit Künstlerkollegen getauscht. Viele der Arbeiten wurden über die Zeit an eine jüngere Generation weitergegeben, welche die Sammeltradition im Rheinland bis heute aktiv weiterführt.
Mit rund 130 Werken ermöglicht die Schau einen Überblick über das gesamte Œuvre Richters von den frühen 1960er Jahren bis in die jüngste Gegenwart. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Gattung Malerei: Mehr als 70 Gemälde führen die Besuchenden von den ersten, schwarz-weißen Fotobildern, den strengen Farbtafeln und grauen Bildern zu den monumentalen Landschaften, den weichen und freien Abstraktionen bis zu den letzten ungegenständlichen Gemälden aus dem Jahr 2017. Zeichnungen, Aquarelle, Fotografien und Skulpturen sowie der einzige von Gerhard Richter gedrehte Künstlerfilm belegen den großen Reichtum der rheinischen Sammlungen und verleihen der Ausstellung retrospektiven Charakter.
Der 1932 in Dresden geborene Maler, Bildhauer und Fotograf Gerhard Richter studierte zunächst an der Dresdner Kunstakademie, bevor er Anfang der 1960er Jahre nach West-Deutschland flüchtete und sein Studium schließlich an der Kunstakademie Düsseldorf fortsetzte. Beeinflusst durch die Nachkriegsabstraktion setzte er sich bereits gegen Ende der 1960er Jahre intensiv mit der abstrakten Malerei auseinander, erstellte zunächst jedoch nur auf Fotografien basierende Portraits und Stillleben, die durch ihre spezifischen Bildausschnitte und Unschärfen realitätsverfremdend wirken.
Seit den 1970er Jahren proklamiert er die Macht des Zufalls als künstlerische Methodik in seinem Schaffen und wendet diese im Medium der Aquarellmalerei aber auch der Leinwandmalerei auf großen und kleinen Formaten an. Dabei spielen die Schichtung und die Art und Weise des Farbauftrages eine entscheidende Rolle: scharfe Farbkontraste treffen auf feine Farbabstufungen und -überlagerungen, die zur näheren Betrachtung der Bildstruktur herausfordern. Ab den 1980er Jahren gelingt es ihm, die realistische mit der abstrakten Dimension zu verbinden, indem er Fotografien mit Ölfarbe übermalt.
Bei dem oben stehenden Werk »Ohne Titel (21.2.10)« wurde stark verdünnte Ölfarbe auf das Papier gegossen und mit einer Rakel verwischt. Rückseitig lässt sich eine Widmung, eine Datierung und eine Frankierung als Postkarte erkennen, die der Künstler am 21.2.2010 an Hubertus Butin richtet. Dieser ist als ehemaliger Assistent des Künstlers nicht nur Vertrauter und langjähriger Weggefährte, sondern heute auch der Experte für die Editionen des Künstlers. Die durch die Post gelaufene Karte liest sich wie folgt: »Lieber Herr Butin herzlichen Dank und Gruß! Ihr G. Richter 21.2.10«.
Anders, als in seiner Serie von übermalten Fotografien, bei denen meist große Teile des Bildmaterials erkennbar bleiben, ist hier fast die gesamte Darstellung mit Farbe überzogen. Diese ist mit ihren wellenartigen Übergängen von tiefem Bordeaux, über ein heller werdendes Grün und Blau bis hin zu Weiß sehr dominant. Der Blick des Betrachters wandert von den fast weißen, frei gebliebenen Stellen zum oberen linken Bildrand. Hier ist in der Ecke die Zahl 190 zusehen. Auch in den übrigen Leerstellen lassen sich nur im Ansatz Details des zugrundeliegenden Papiers erahnen. Mal sind es Linien, ein anderes Mal einige Wortfetzen. Ein klares Motiv ist in diesem Werk von Richter nicht im Fokus. Der starke Kontrast zwischen der Materialität der Farbe und der Zweidimensionalität des Bildträgers rückt hier in den Mittelpunkt. Das ursprünglich Abgebildete ist soweit abgedeckt, dass der Betrachter auf die Suche nach dessen Überresten gehen muss.
Die Malerei im Werk »Ohne Titel (8.1.89)« lässt nur noch die Äste und die Blätter eines Baumes sowie die Silhouette des Halbmondes der zugrundeliegenden Landschaftsaufnahme frei. Über den Rest der Darstellung hat Richter mittels des Zufalls eine ganz eigene Landschaft organischer Farbstrukturen wachsen lassen.