Museum

Georg Kolbe Museum:

"Künstliche Biotope. Lehmbruck, Kolbe, Mies van der Rohe und Anne Duk Hee Jordan"

11. Juni – 28. August 2022

Die Ausstellung „Künstliche Biotope“ untersucht die fruchtbare Beziehung von Architektur, Skulptur und Natur in ihrem energetischen Wechselspiel. Die Skulptur der Moderne rekurriert in vielfacher Hinsicht auf Wachstums- und Vergänglichkeitsprozesse der Natur – und auch die Architektur jener Jahre bedient sich intensiver Rückkoppelungen an die Natur, dynamisiert Fließgesetze von Luft und Licht und fördert einen neuartigen Umgang mit organischen und technischen Materialien in der Synthese. Die innovative Zusammenarbeit von Bildhauerinnen und Architektinnen aktualisierte eine seit der Antike überlieferte Beziehung.

Im großen Bildhaueratelier Georg Kolbes treffen die Werke dreier Protagonisten der Moderne des frühen 20. Jahrhunderts – Wilhelm Lehmbruck, Georg Kolbe und Ludwig Mies van der Rohes – auf eine Installation von Anne Duk Hee Jordan (geb. 1978), die das Thema der Ausstellung in einem zeitgenössisch veränderten Diskurs von Mensch und Natur aufgreift und in eine neue Dimension überführt. Die Künstlerin beschäftigt sich in ihren Environments, in denen natürliche Materialien auf motorisierte Objekte treffen, mit den Themen Transformation und Vergänglichkeit. Im Sinne von Donna Haraways „naturecultures“ imaginiert sie eine Welt, in der die verschiedenen Agenten jenseits des Menschen miteinander verwoben sind und aufeinander reagieren – wo das Organische mit dem künstlich Geschaffenen eine Symbiose eingeht und so die klaren Grenzen von „Natur“ und „Kultur“ unterwandert.

Die Bildhauer Wilhelm Lehmbruck (1881–1919) und Georg Kolbe (1877–1947) haben mit ihren figurativen Skulpturen ein neues Menschenbild geschaffen, das neue Formen für die existenziellen menschlichen Fragen suchte. Ludwig Mies van der Rohe (1886–1969) entwarf in den 1920er-Jahren eine radikal moderne Architektur. Seine Häuser sind funktional und ästhetisch durchdachte Organismen, deren offene Grundrisse aus der Bewegung eines fluiden Systems und einer lebendigen Materialsprache erwachsen. In sein europäisches Hauptwerk hat Mies van der Rohe immer wieder Skulpturen von Lehmbruck wie auch von Kolbe integriert – und mit Pflanzen, Spiegelungen, organischen Materialien und innenliegenden Wasserbecken künstliche Biotope geschaffen. Der „Morgen“ von Georg Kolbe im Barcelona-Pavillon von 1928/29, erweitert den stereometrischen Bau um ein menschliches Maß. Der menschliche Körper in der Skulptur der 1920er-Jahre wiederum wurde gebaut und setzte sich aus abstrakt-geometrischen Volumen zusammen. Man suchte grundsätzlich nach einem neuen Miteinander, das die sachliche und funktionale Architektur mit einer autonomen Skulptur verbinden konnte. Als einer der wenigen hat Mies van der Rohe konsequent die figürliche Skulptur in seinen Architekturkonzepten mitgedacht. Hier wird sie häufig als Stellvertreter des Hausbewohners interpretiert, ihre Funktion ist jedoch weitaus komplexer. Denn Mies van der Rohe wie auch andere Künstler*innen der Moderne waren inspiriert von einem naturwissenschaftlichen, universellen Weltbild. Neue Erkenntnisse gerade aus dem Bereich der Biowissenschaften führten zu einer Betrachtung der Wirklichkeit als organischem Ganzen. Formen und Prozesse in der Natur wurden mit ästhetischen und mechanischen Aspekten von technischen Geräten, sogar mit der Struktur von Gesellschaften verglichen.

So stehen die figurativen Skulpturen von Lehmbruck und Kolbe nicht nur als Kunstwerke in der Architektur Mies van der Rohes, sondern auch als lebendige Körper, die Teil einer organischen Gesamtheit sind.

More News