Gerhard Richter
Ohne Titel (21.2.10)
2010
Oil on printed paper
9.5 × 13.5 cm / 3 3/4 × 5 5/16 in
Signed, dated and dedicated »Lieber Herr Butin herzlichen Dank und “ Gruß! Ihr G. Richter 21.2.10« on the verso
Hubertus Butin, Berlin; Galerie Löhrl, Mönchengladbach; Private Collection North Rhine-Westphalia; Private Collection Germany
- Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Herbst 2020". Düsseldorf 2020
- Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Herbst 2020", Düsseldorf 2020, S. 106
Gerhard Richter lebt heute in Köln. Geboren wurde er aber in Dresden, und in Düsseldorf besuchte er nach seiner Ankunft aus der DDR in den frühen 1960er Jahren die Kunstakademie, wo er von 1971 bis 1993 als Professor eine Klasse für Malerei leitete. Der abstrakten Malerei und der Vielfalt künstlerischer Ausdrucksformen fühlt sich Richter schon seit den 1960er Jahren verbunden. Zunächst ist sein Schaffen aber noch geprägt von der realistischen Malerei, die er nach persönlichen Fotografien oder Ausschnitten von Pressefotos anfertigt. Die Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten abstrakter Malerei nimmt über die Jahre aber immer mehr zu. Ab den späten 1980er Jahren gelingt dem Künstler mit der für sein abstraktes Werk so typischen Rakeltechnik der Durchbruch. Durch das mehrfache Übereinanderschichten von Farben findet er in einem zeitlich unbegrenzten Prozess nach dem Zufallsprinzip Werke, die in ihrem Detailreichtum und ihrer Schönheit nicht vorstellbar und schon gar nicht planbar waren. In dieser Herangehensweise unterscheiden sich die beiden Gattungen in Richters Werk diametral. Die fotorealistischen Werke sind durch eine klare Bildidee und eine sehr präzise Umsetzung dieser Idee geprägt.
Zeitgleich beginnt Richter in den späten 1980er Jahren die Gegensätze von Realismus und Abstraktion, von Fotografie und Malerei, von Flachheit und Farbmaterie in sehr kleinem Format miteinander zu konfrontieren, indem er persönliche Fotos abstrakt und vom Zufall gesteuert übermalt. Der Künstler bedient sich hierbei einer Vielfalt unterschiedlicher Techniken: Er schüttet Lackfarben über die Fotos oder zieht die für ein Gemälde verwendete Rakel mit all seinen unterschiedlichen Farben auf dem Foto ab. Manchmal drückt er das Foto auf die Farbe auf, sodass sich die Farbe beim Herunternehmen des Fotos in einer dreidimensionalen Struktur wie ein Miniaturgebirge über das Foto verbreitet. Im Ergebnis entstehen Werke einer ganz besonderen Schönheit, die entlang der Kontroverse zwischen Fotografie und Malerei entstanden sind und aus Gegensätzen etwas spannendes Neues geschaffen haben.
Bei unserem Werk »Ohne Titel (21.2.10)« wurde die stark verdünnte Ölfarbe auf das Papier gegossen und mit einer Rakel verwischt. Rückseitig lässt sich eine Widmung, eine Datierung und eine Frankierung als Postkarte erkennen, die der Künstler am 21.2.2010 an Hubertus Butin richtet. Dieser ist als ehemaliger Assistent des Künstlers nicht nur Vertrauter und langjähriger Weggefährte, sondern heute auch der Experte für die Editionen des Künstlers. Die durch die Post gelaufene Karte liest sich wie folgt: »Lieber Herr Butin herzlichen Dank und Gruß! Ihr G. Richter 21.2.10«.
Anders, als in seiner Serie von übermalten Fotografien, bei denen meist große Teile des Bildmaterials erkennbar bleiben, ist hier fast die gesamte Darstellung mit Farbe überzogen. Diese ist mit ihren wellenartigen Übergängen von tiefem Bordeaux, über ein heller werdendes Grün und Blau bis hin zu Weiß sehr dominant. Der Blick des Betrachters wandert von den fast weißen, frei gebliebenen Stellen zum oberen linken Bildrand. Hier ist in der Ecke die Zahl 190 zusehen. Auch in den übrigen Leerstellen lassen sich nur im Ansatz Details des zugrundeliegenden Papiers erahnen. Mal sind es Linien, ein anderes Mal einige Wortfetzen. Ein klares Motiv ist in diesem Werk von Richter nicht im Fokus. Der starke Kontrast zwischen der Materialität der Farbe und der Zweidimensionalität des Bildträgers rückt hier in den Mittelpunkt. Das ursprünglich Abgebildete ist soweit abgedeckt, dass der Betrachter auf die Suche nach dessen Überresten gehen muss.
Die Malerei im Werk »Ohne Titel (8.1.89)« lässt nur noch die Äste und die Blätter eines Baumes sowie die Silhouette des Halbmondes der zugrundeliegenden Landschaftsaufnahme frei. Über den Rest der Darstellung hat Richter mittels des Zufalls eine ganz eigene Landschaft organischer Farbstrukturen wachsen lassen.