Hermann Hesse
Traum von Dir
1918

Aquarell und Tusche auf Papier
2 Blätter, je 28 × 19,5 cm
Dazu das handgeschriebene Gedicht mit 22 Zeilen
Privatsammlung Bern
- Galerie Ludorff, "Hermann Hesse – Malerfreude", Düsseldorf 2016
- Olaf Gulbransson Museum, "Hermann Hesse - Aquarelle und Gedichte", Tegernsee 2013
- Galerie Ludorff, "Der Anfang aller Kunst ist die Liebe – Aquarelle und Gedichte von Hermann Hesse", Düsseldorf 2012
- Galerie Ludorff, "Hermann Hesse – Malerfreude", Düsseldorf 2016, S. 41
- Galerie Ludorff, "Hermann Hesse – Der Anfang aller Kunst ist die Liebe – Aquarelle und Gedichte von Hermann Hesse", Düsseldorf 2012, S. 46
Traum von dir
Oft wenn ich zu Bette geh
Und die Augen fallen mir zu,
Mit nassem Finger klopft am Sims der Regen,
Da kommst mir du,
Schlankes zögerndes Reh
Aus Traumländern still entgegen.
Wir gehen, oder schwimmen, oder schweben
Durch Wald, Ströme, plauderndes Tiergevölk,
Durch Sterne und regenbogenfarbendes Gewölk,
Ich und du, unterwegs nach dem Heimatland,
Von tausend Gestalten und Bildern der Welt umgeben,
Bald im Schnee, bald in Sonnenflammen,
Bald getrennt, bald nah zusammen
Und Hand in Hand.
Am Morgen ist der Traum entflossen,
Tief sank er in mich hinein,
Ist in mir und doch nicht mein,
Schweigend beginn ich den Tag, unfroh und verdrossen,
Aber irgendwo gehn wie auch dann,
Ich und du, von Bilderspielen umgeben,
Fragend durch ein verzaubertes Leben,
Das uns täuschen und doch nicht betrügen kann.