Jerry Zeniuk
Untitled Number 314
2011
Öl auf Leinwand
170 × 170 cm
Rückseitig signiert und datiert
Atelier des Künstlers
- Galerie Ludorff, "The Simple Things. Minimalism and more...", Düsseldorf 2024
„Ich bin Künstler, Maler, und ich male, um nicht allein zu sein. Dieser Wunsch ist die treibende Kraft in meiner Arbeit. Wenn ich eine Bewegung mit dem Pinsel mache, ist dies der Ausdruck meines Daseins in einem bestimmten Augenblick und es ist der Weg, auf dem ich Sie erreiche.“1)
Jerry Zeniuk wird 1945 in Bardowick bei Lüneburg als Sohn ukrainischer Flüchtlinge geboren. Fünf Jahre später siedelt die Familie nach Loveland, Colorado, USA um. Fernab der amerikanischen Kunstmetropolen studiert Zeniuk in den sechziger Jahren an der University of Boulder, Colorado, Bildende Kunst, Geschichte und Philosophie. Nach seinem Abschluss im Jahr 1969 zieht er nach New York, wo drei Jahre später auch seine erste Einzelausstellung realisiert wird. Aufgrund diverser Stipendien kehrt der Künstler immer wieder für längere Aufenthalte nach Deutschland zurück und nimmt unter anderem 1977 an der ‚documenta 6‘ in Kassel teil. 1992 erhält Zeniuk eine Professur für Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in München. Heute lebt er sowohl in den USA als auch in Deutschland und pendelt zwischen New York und München.
Von Beginn an ist Zeniuks Malerei der Gegenstandslosigkeit verpflichtet und frei von jedweder erzählerischen Bedeutung. Die Farbe ist dabei wichtigstes bildnerisches Mittel, sie transportiert für Zeniuk keinerlei Botschaft oder Bedeutung, vielmehr geht es ihm allein um ihre Materialität um die Farbe an sich. Während der Künstler zunächst Enkaustikarbeiten2) entwirft, die durch das Übereinanderlegen von mehreren mit Pigmenten angereicherten Wachsschichten annähernd monochrom wirken, beginnt Zeniuk seit den siebziger Jahren nach und nach die Farbflächen zu strukturieren und einzelne voneinander abgegrenzte Formen aus der Fläche herauszuarbeiten. Über einen Zeitraum von nunmehr fast 30 Jahren entwickelt Zeniuk seine Malerei in sehr konsequenten kleinen Schritten weiter. In seinen jüngsten Bildern lösen sich die Farbflächen immer stärker voneinander, sodass der Malgrund der unbehandelten Leinwand oft frei bleibt.
Im vorliegenden Gemälde zeigt uns der Künstler scheinbar eine lose Anordnung verschiedenartiger, leuchtender Farbformen, die direkt aus der Tube unverfälscht und mit breitem Pinselstrich aufgetragen sind. Die Formen sind kreisförmig, weisen aber keine klaren Umrisslinien auf. Vielmehr fransen sie nach außen hin aus. Zeniuk arbeitet immer ohne ein vorher ausgearbeitetes Konzept, aber dennoch sehr überlegt. Die Arbeit geht relativ langsam voran, denn der Künstler entwickelt die Komposition sukzessiv, indem er von der ersten auf die Leinwand aufgebrachten Farbform ausgeht und auf dieser Grundlage dann die benachbarten Farbfelder entwirft, sowohl die Wahl der Farb-igkeit, als auch die Größe und der Abstand der Kreise zueinander sind dabei essentiell für das Ergebnis. Nur äußerst selten bleibt eine Farbform in Ihrem erstmalig aufgetragenen Zustand. In der Regel werden die Formen bis zur Vollendung eines Gemäldes mit einer weiteren Farbe bearbeitet, der Farbton gehöht oder gedämpft, die Intensität verstärkt oder geschwächt, die Form strukturiert oder flächiger gestaltet. Während des Malprozesses findet also eine stetige Reflektion statt mit dem Ziel schlussendlich eine möglichst spannungsreiche aber auch ausgewogene Komposition zu erhalten.
Im Zentrum von Zeniuks künstlerischem Ansatz steht das Bild als zweidimensionale Fläche und damit die Beziehung zwischen Farbe und Malgrund, zwischen Fläche und Raum, zwischen Licht und Schatten. 1989 erläutert Zeniuk in einem Radiointerview seine Auffassung von Malerei, die auch heute – über 20 Jahre später – ihre Gültigkeit nicht verloren hat und anschaulich beschreibt, welche Fragen ihn antreiben: „Als ich noch ein Student war, habe ich von Clement Greenberg gelernt, dass ein abstraktes Bild flach sein muss und die Farbe selbst Bildgegenstand ist. Und so habe ich mich also sehr bald mit der Materialität der Farbe befasst. Das ist eigentlich natürlich für einen jungen Maler, dass er sich mit dem auseinandersetzt, mit dem er arbeitet. Aber schon damals ging es mir um Farbe, Licht und Raum. Und das war es, was mich fesselte. So begann der Lernprozess: Wie kann ich den Raum deutlich machen, wie das Licht, wie kann ich ihm Bedeutung geben? Und besonders, wenn man kein Abbild hat immer wieder die Frage: Was ist der Gegenstand des Gemäldes, was ist es, das das Auge sieht, worauf ziele ich ab? Das sind all die Jahre meines Malens. Und jedes Jahr wurde mir klarer, was ich will, was ich sehe, und auch die Bedeutung dessen, mein Wissen darüber hat zugenommen. Ich kann heute sehr viel präziser diesbezüglich sein. Ich kann auch sehr viel mehr den Betrachter einbeziehen, ihn in ein Bild eintreten lassen und sich darin bewegen lassen.“3)
Anm.: 1)Rede von Jerry Zeniuk gehalten im Kunstmuseum Winterthur am 18. November 1995 zur Eröffnung des Erweiterungsbaus, zit. in: Jerry Zeniuk/Lawrence Markey/Rupert
Walser (Hg.): „Jerry Zeniuk“, München 1996, S. 16.
2)Künstlerische Technik, bei der in Wachs gebundene Farbpigmente heiß auf den Malgrund aufgetragen werden.
3)Interview von Wilhelm Warning mit Jerry Zeniuk für den Bayerischen Rundfunk im September 1989, zit. in: Dieter Schwarz/Ulrich Wilmes (Hg.): „Jerry Zeniuk. Oil and Water“, Ausst.-Kat., Nürnberg 1999, S. 164.