Lyonel Feininger
Untitled (Six Figures and One Owl)
1951

Aquarell, Tusche und Kohle auf Papier
23,8 × 31,3 cm
Signiert und datiert
Registriert im Archiv des Lyonel Feininger Project LLC New York/Berlin unter der Nr. 1115-11-21-11
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Achim Moeller, Geschäftsleiter des Lyonel Feininger Project LLC, New York 2011
Atelier des Künstlers; Sammlung Ati Gropius Johansen, Massachusetts (Tochter von Walter Gropius - 2012); Galerie Ludorff, Düsseldorf (2012-2017); Privatsammlung Hessen (2017-2025)
Der 1871 in New York geborene Lyonel Feininger zieht mit 16 Jahren zusammen mit seinen deutschstämmigen Eltern in deren Heimat zurück. Dort beginnt er eine berufliche Laufbahn als Grafiker und Karikaturist bei verschiedenen Zeitschriften, die in Deutschland, Frankreich und den USA erscheinen. Erst mit 36 Jahren kommt Feininger zur Malerei und doch sind sein Einfluss und seine Bedeutung für die Kunst des 20. Jahrhunderts groß. Während einer Reise nach Paris sieht er 1911 die wegweisenden Arbeiten der Kubisten, die die Welt in geometrische Formen zergliedern und sie so simultan aus verschiedenen Blickwinkeln zeigen. Sie sind eine wichtige Inspiration für seine eigene Bildsprache. Feininger legt in seinen Gemälden verborgene Naturzusammenhänge offen. Es ist sein Ziel, emotionale Gegenbilder zur realen Landschaft zu schaffen und deren Wirkung auf den Betrachter sichtbar zu machen. 1919 wird er als Leiter der grafischen Werkstatt ans Bauhaus berufen, eine der wichtigsten und innovativsten Kunsthochschulen seiner Zeit. Mit seinen Malerfreunden Alexej von Jawlensky, Paul Klee und Wassily Kandinsky gründet er 1924 „Die Blauen Vier (Blue Four)“, vor allem um Ausstellungen und Verkäufe in die USA zu vermitteln. Mit der Machtergreifung der Nazis ändert sich die Situation für die Avantgardekünstler in Deutschland: Ihre Kunst wird verfemt und das Bauhaus 1932 aufgelöst. Als Reaktion darauf zieht Feininger 1937 mit seiner Familie zurück nach New York. Trotz der neuen großstädtischen Umgebung, arbeitet er dort noch häufig an den europäischen Motiven seiner Naturstudien.
Seinen 80. Geburtstag verbringt Lyonel Feininger 1951 in South Lincoln, Massachusetts, im Haus seines Freundes, dem bekannten Architekten Walter Gropius, mit dem er gemeinsam am Bauhaus lehrte. Es ist denkbar, dass die vorliegende Arbeit „Untitled (Six figures and one owl)“ während eines Ausflugs an die nicht weit entfernte Atlantikküste entstanden ist und dass sie Feininger als Gastgeschenk an Gropius diente. Wie auf einer Art Erinnerungsfoto sind auf der Darstellung vier gelbe und zwei orangerote „Männekens“ sowie eine kleine Eule zu sehen, die sich vor einer luftigen, gräulichen Strandszene verteilen. Besonders auffällig gestaltet ist die kleine Figur in der Bildmitte, die einen Anzug mit einer Art Leopardenmuster und einen dazu passenden Hut trägt. Die zahme, graue Eule scheint eine besonders enge Bindung zu der kleinen, gelb-schwarzgestreiften Figur im Vordergrund zu haben, an die sie sich liebevoll anschmiegt. Ganz seinem typischen Stil folgend hat der Künstler die Aquarellfarbe nicht allein verwendet, sondern mit der Tuschefeder ein kompositorisches Gerüst entwickelt, über das er anschließend die Farbe legt. Alle Figuren sind durch diese Umrisslinien miteinander verbunden und bilden so, trotz ihrer individuellen Erscheinungen, eine Einheit. Feininger bietet dem Betrachter mit seinem amüsanten Motiv und den grotesken Figuren eine schöne Vorlage für lustige Geschichten und regt so seine Fantasie an.
Häufig hat Feininger Arbeiten mit seinen lustigen manikins, auch spooks, ghosties, Mysterious Pete’s, grotesques oder little people, wie er die kleinen Figuren liebevoll nennt, an Familienmitglieder und Freunde zu besonderen Gelegenheiten oder als persönliches Souvenir an ein Zusammentreffen verschenkt.1) Teilweise geben die Titel Aufschluss über den Anlass oder die Geschichte hinter den Bildern, wie beispielsweise bei „Merry Xmas“ (s. Abb.), ebenfalls aus unserem Angebot, das zu Weihnachten 1955, kurz vor dem Tod des Malers, entstanden ist. Unsere besonders schöne und gut erhaltene, unbetitelte Arbeit, die eine Figurengruppe mit Eule zeigt, befand sich im Besitz von Gropius‘ Tochter Ati Gropius Johansen, die sicherlich Feiningers Geburtstag im Haus ihres Vaters mitfeierte und wertvolle Erinnerungen an das Bild knüpfte.
Anm.: 1) Vgl. Ulrich Luckhard/Martin Faass, „Lyonel Feininger, Die Zeichnungen und Aquarelle", Köln 1998, S. 225.