Serge Poliakoff
Composition abstraite
1963
Gouache auf Papier
62 × 46 cm
Signiert
Werkverzeichnis Poliakoff 2012 Nr. 63-131
Alexis Poliakoff, Archives Serge Poliakoff, Paris, dort registriert unter der Nr. 863087
Galerie Jacques Sieverding, Twello, Niederlande
- Galerie Ludorff, "Serge Poliakoff – Architekt einer bildnerischen Poesie", Düsseldorf 2009
- Galerie de France, "Serge Poliakoff – gouaches 1944/1969", Paris 1977
- Alexis Poliakoff, "Serge Poliakoff. Catalogue raisonné, Band IV, 1963-1965", Paris 2012, Nr. 63-131
- Galerie de France, "Serge Poliakoff – gouaches 1944/1969", Ausst.-Kat., 1977, Nr. 33
- Kestner-Gesellschaft/Städtische Kunsthalle Bremen/Museum am Ostwall/Overbeck-Gesellschaft/Haus der Städtische Kunstsammlungen Bonn/Württembergischer Kunstverein/Städtisches Museum Trier (Hg.), "Serge Poliakoff – Rétrospective", Hannover 1963/1964, Nr. 84
Der aus Russland stammende Künstler Serge Poliakoff flieht vor der Revolution und gelangt auf abenteuerlichen Wegen über Konstantinopel im Alter von 24 Jahren nach Paris. Später erhält er die französische Staatsbürgerschaft und in der Metropole an der Seine geschieht etwas Entscheidendes: Serge Poliakoff erkennt – wie er später zu Andre Malraux sagen wird – , dass er „sein Zuhause gefunden hat“1). Da er musikalisch veranlagt ist, hält sich Poliakoff zunächst als Gitarrenspieler in verschiedenen Nachtcafés über Wasser. Tagsüber malt er in seinem Atelier und nimmt an den wöchentlichen Treffen des Künstlerehepaares Delaunay teil, die sich als hilfreich erweisen, ihm seinen Weg in der Kunst aufzuzeigen. 1937 erfolgt seine erste Einzelausstellung in der Galerie Zak in Paris. Im darauf folgenden Jahr wendet sich Poliakoff zur abstrakten Kunst hin, selbst wenn er bis 1944 noch einige gegenständliche Werke schaffen wird, aber ohne den Stil zu vermischen. Ab 1952 stellt sich der Erfolg in seiner künstlerischen Laufbahn ein. Poliakoff kann es sich leisten, nur als Künstler zu arbeiten. So kann er sich regelmäßig der Malerei widmen. Seine Ausstellungen erfolgen nun auf internationaler Ebene.
Aus dieser späteren Phase, aus dem Jahre 1960, stammt unsere Gouache „Composition bleue“, die in hellen und dunklen Blautönen gehalten ist. Der Einsatz der Gouache erfolgt erstmalig 1951 bei einem Aufenthalt außerhalb des Ateliers, wie sich sein Sohn Alexis Poliakoff erinnert: „War er nicht in Paris, verreiste er mit einem kleinen Koffer, in dem er seine Farben bewahrte. Dann arbeitete er häufig an Gouachen.“2) Für die Gouachen verwendet Poliakoff geöltes Kraftpapier, welches er auf die Leinwände aufzieht. Auf unserem mittelgroßen Hochformat inszeniert Poliakoff geometrisch länglich wirkende Farbformen in feinen Blauabstufungen, die sich aufstrebend gegeneinander entwickeln und sich zu einer großen Einheit vereinen, welche dem Bild eine besondere Energie verleiht. Poliakoff beginnt den Bildaufbau wie ein Architekt, besetzt den Raum gleichsam an verschiedenen Stellen, ohne an die Form zu denken. Seine Bilder entstehen immer vom Rand ausgehend und wachsen langsam zur Mitte hin. „Wenn ich mit einer Komposition beginne, denke ich an die Architektur. Genau wie ein Architekt fülle ich hier und da Räume […]. An Formen denke ich nicht.“3) Das Spiel seiner unregelmäßigen Formen, die zugleich geometrisch, plastisch und organisch anmuten, ergänzen sich gegenseitig. Ihr Wechselspiel macht die Ausgewogenheit und Einheit der Komposition aus, deren Verschachtelung nicht über die Konturen, sondern über die sanften Farbübergänge aus hellen und dunklen Tönen entsteht. Da die Felder dennoch als einzelne Einheiten die Konstruktion des Bildes erkennen lassen, wirkt die harmonisch ausgewogene Komposition sehr stark.
Die Farbe trägt der Maler in aufeinander folgenden Schichten auf und erweckt so das Bild zum Leben, denn durch das mehr oder weniger starke Durchscheinen der chromatischen Unterschichten erhält jede Farbform atmosphärische Qualität, eine innere Resonanz und eine vibrierende Präsenz. Eine weitere Besonder-heit ist, dass Poliakoff seine Farben selbst herstellt. Er wählt die Pigmente aus, dosiert sorgfältig die Bindemittel und experimentiert mit verschiedenen Trägern, wie er bestätigt: „Was bei der Farbe zählt, das ist nicht Schwarz, Weiß oder Gelb […]. Wichtig ist vielleicht die Bedeutung der Farben, und ganz wichtig ist dann auch die Qualität der Farben, denn die Farben können das Gefühl, die Persönlichkeit, zum Ausdruck bringen […].“4)
Von einfachen, geometrisch anmutenden Formen ausgehend, schafft er hier auf der Basis einer einzigen Farbe ein Werk, das durch große Sicherheit, gepaart mit einer subtilen und wandlungsfähigen Handschrift, besticht.
1) Museum Würth (Hg.), „Poliakoff – Eine Retrospektive – Arbeiten aus den Jahren 1931 bis 1969“, Ausst.-Kat., Künzelsau 1997, S. 234.
2) Alexis Poliakoff, „Zur Malpraxis von Poliakoff“, in: Ausst.-Kat. Museum Würth, S. 61.
3) Gespräch mit Jaques Michel, in: „Le Monde“, 1. September 1967, zitiert in: Gérard Durozoi, „Serge Poliakoff“, Angers 2001, S. 91.
4) „Serge Poliakoff spricht mit Gérard Durozoi – Aufzeichnungen aus dem Jahr 1967“, in: Ausst.-Kat. Museum Würth, S. 58.