Fritz Winter, Der Osterbaum
© VG Bild-Kunst, Bonn

Öl auf Leinwand

130 × 97 cm

Signiert und datiert sowie rückseitig signiert, datiert und betitelt

Werkverzeichnis Lohberg 1986 Nr. 2477

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Provenienz

Fritz-Winter-Haus, Ahlen; Galerie Aras, Saulgau; Privatsammlung (seit 1994)

Ausstellungen
  • Galerie Ludorff, "Meisterwerke", Düsseldorf 2020
Literatur
  • Galerie Ludorff, "Meisterwerke", Düsseldorf 2020, S. 34
  • "Neuerwerbungen Frühjahr 2020", 2500, Galerie Ludorff, Düsseldorf, 2020, S. 134
  • Gabriele Lohberg, "Fritz Winter, Leben und Werk", München 1986, Nr. 2477

Wie sehr Winter von seinen Erfahrungen im Studium am Dessauer Bauhaus in den Jahren 1927 bis 1930 bei Klee, Schlemmer, Kandinsky, Moholy-Nagy, Feininger usw. profitierte und wie schwer jedoch zugleich das Gewicht gerade dieser zahlreichen Vorbilder auf dem jungen Menschen gelastet haben muss, zeigt die Entwicklung seiner Malerei bis Ende der 1930er Jahre. Erst in seinem spät errungenen, aber umso bedeutenderen Hauptwerk der 1950er und 1960er Jahre, auf dem zeitgleichen Höhepunkt des Informel, dessen Voraussetzungen und Möglichkeiten auch die Malerei Winters stark beeinflussten, offenbart sich die starke Durchdringung Winters von der Lehre des Bauhauses.A So spiegelt Der Osterbaum aus dem Jahr 1963 mit seinem von Neubeginn und Frühling kündenden Bildtitel genau diese Verbindung im Œuvre Winters wider. Die Komposition zeigt ein exzentrisches Geflecht aus breiten schwarzen Lineamenten, das vor einem offenen weißen Bildgrund wenige farbige Flächen von Ocker, Petrol und Rot partiell umrahmt.

Nach seinem Studium eigene Formen noch suchend, blieb Winter dem Schaffen seiner Lehrer formal eng verbunden. Die Rückschau zeigt aber, wie er mit den Werken dieser Zeit trotz ihrer äußerlichen Anlehnung an den Vorbildern bereits nach der angemessenen Gestalt seiner eigenen Vorstellungen sucht.B 1938 bringt er eine über mehrere Jahre anhaltende Phase, deren Schaffen von der Verwendung nur weniger dunkler Farben und der Auseinandersetzung mit Licht und Räumlichkeit gekennzeichnet ist, zu einem überraschenden Ende.C In einer neuen Periode des Experimentierens, das die polyfokalen, abstrahierten Landschaften Kandinskys aus der Zeit um 1911 zur Grundlage hat, entstehen wenige Arbeiten, in welchen Winter Motives eines Lehrers übernimmt, ohne die Herkunft zu verschleiern, allenfalls den Grad der Abstraktion steigert. Diese Werke sind letztlich nichts anderes als Übungen. Mit ihnen nimmt Winter jedoch eine bisher nicht in Betracht gezogene Vielfarbigkeit in sein Schaffen auf. Farbe wird von diesem Moment an zum Hauptthema des Malers. In den folgenden Jahren als Soldat im Kriegseinsatz ist an eine Weiterentwicklung dieses neuen Schwerpunkts jedoch nicht mehr zu denken. Winter arbeitet während einiger Genesungsurlaube zeichnerisch bis auf wenige Ausnahmen mit Kohle und Grafit.D

Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft 1949 orientiert er sich zunächst erneut an einem früheren Lehrer, Moholy-Nagy, und malt einige Gouachen. Mit der Offenheit der Kompositionen in diesen auf Karton geschaffenen Arbeiten gelingt Winter der Neuanfang. Die teilweise transparenten, wie collagiert wirkenden geometrischen Formen, die er kompositorisch im Bildraum schweben lässt, werden nach und nach in diffuse Farbfelder aufgelöst, die von breitbahnigen schwarzen Liniengeflechten überlagert und konterkariert sind. Allmählich bringt der Maler die markanten Lineamente in ein Gleichgewicht mit den Farbflächen und eröffnet sich im Verlauf der 1950er Jahre so neue malerische Möglichkeiten, mit denen er sich auch deutlich auf die Entwicklungen des Informel einlässt. Schon bald gibt er die schwarzen Lineamente in den Kompositionen jedoch ganz auf. Nun ist es die Farbe, die Winter nicht willkürlich, sondern in fein nuancierten Harmonien setzt und zum zentralen Motiv seiner Malerei macht. Schwarz bleibt dabei eine Option und steht, obwohl es immer wieder Kontrast und Leuchtkraft der Farben steigert, gleichberechtigt in der Anordnung der Farbflächen. Für diesen Moment ist das so optimistisch betitelte Bild Der Osterbaum ausdrucksvolles Beispiel und zugleich Vorwegnahme einer Kompositionsidee, die sich in dem schwarzen Liniengeflecht bereits andeutet und in abstrakte Figurationen führt, die immer wieder aufkommen und zum ausgeprägten Merkmal des Spätwerks werden.

Rouven Lotz

Wissenschaftlicher Leiter,

Emil Schumacher Museum, Hagen

A Zum Nachwirken des Bauhaus-Studiums: Karl Schawelka, Gestaltete Farbe – Fritz Winters Werk der 1960er Jahre, in: Bayerische Staatsgemäldesammlungen/Fritz-Winter-Stiftung (Hg.), »Fritz Winter: Die 1960er Jahre. Jahrzehnt der Farbe«, Ausst.-Kat. München, Pinakothek der Moderne, Heidelberg/Berlin 2015, S. 61 ff.

B Für eine retrospektive Übersicht der Werkentwicklung vgl.: »Fritz Winter –

Durchbruch zur Farbe«, Rouven Lotz/Ulrich Schumacher/Kai Uwe Schierz

(Hg.), Ausst.-Kat. Hagen/Erfurt, Dortmund 2020.

C Vgl.: Bayerische Staatsgemäldesammlungen/ Fritz-Winter-Stiftung (Hg.),

»Licht-Bilder. Fritz Winter und die abstrakte Fotografie«, Ausst.-Kat. München, Pinakothek der Moderne, Heidelberg/Berlin 2013.

D Vgl.: Martina Ripphausen, »Die Feldskizzen Fritz Winters 1939 – 1945«, Diss. Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, 1994.

Über Fritz Winter

Fritz Winter zählte schon zu Lebzeiten zu den bedeutendsten Nachkriegskünstlern Deutschlands. Er entwickelte eine eigenständige, abstrakte Formensprache, die in klassisch ausgewogenen Bildkompositionen stets einen übergeordneten Bezug zur Natur offenbart.

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