Georg Kolbe
Nereide (Kniende I)
1923
Bronze
32,1 cm
Signiert mit dem Monogramm auf der linken Fußsohle und auf der rechten Fußsohle mit dem Gießerstempel "H. Noack Berlin Friedenau" versehen
Auflage 25; Teil einer Edition, die 1923 als Jahresgabe für den "Kreis graphischer Künstler und Sammler", Leipzig hergestellt wurde; nur wenige davon mit Gießerstempel bekannt
Dr. Ursel Berger, ehemalige Direktorin des Georg Kolbe Museum, Berlin
Privatsammlung Europa
- Galerie Ludorff, Neuerwerbungen Herbst 2022, Düsseldorf 2022
- Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Herbst 2022", Düsseldorf 2022, S. 84
- Ursel Berger, "Georg Kolbe – Leben und Werk mit dem Katalog der Kolbe-Plastiken im Georg-Kolbe-Museum Berlin", Berlin 1990, S. 268
- Wilhelm Michel, "Kunst und Yoga", in: Alex Koch (Hg.), "Deutsche Kunst und Dekoration: illustrierte Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst und künstlerisches Frauen-Arbeiten" (Heft 53) Darmstadt 1924, Abb. S. 202 (anderes Exemplar)
Der Bildhauer Georg Kolbe konzentriert sich in seinem plastischen Werk auf ein Hauptthema: die menschliche Gestalt. Dabei geht es ihm nicht um eine naturalistische Schilderung, sondern um den Ausdruck des eigenständigen, freien, selbstbestimmten Menschen und die Überwindung banaler, tradierter und damit inhaltlich festgelegter Bewegungsmotive. Von wenigen Beispielen abgesehen, stellt Kolbe bis Mitte der 1920er Jahre Frauengestalten dar, die sich mit Grazie, Leichtigkeit und leiser Melancholie im Raum bewegen und mit denen der Bildhauer seine Vision vom harmonisch bewegten Menschen zum Ausdruck bringt. Unsere Figur »Nereide – Kniende I« ist für diese bedeutende Werkphase ein charakteristisches Beispiel. Sie ist die bekannteste von insgesamt drei Kleinplastiken kniender Mädchengestalten, die einer erstmals 1924 im Kolbe-Raum der Berliner Akademie der Künste ausgestellten, großen Arbeit vorausgehen. Als Jahresgabe für den »Kreis graphischer Künstler und Sammler« in Leipzig in einer Auflage von 25 Exemplaren entstanden, wurden sie danach nicht wieder aufgelegt. Der Titel »Nereide« verweist auf ein mythologisches Sujet und weckt die Assoziation einer auf dem Wasser schwebenden Figur – der griechischen Sage zufolge sind die Nereiden Töchter von Neros und Doris, Meeresnymphen, die Schiffbrüchige beschützen und Seeleute erheitern.
Kaum einem Künstler ist bei seiner Arbeit die Vermittlung von innerer und äußerer Haltung so wichtig wie Kolbe. Die Form ist ihm kein Selbstzweck, sondern ein Mittel und es ist ein Hauptcharakteristikum seiner Figuren, dass sich der Inhalt nicht in einfache Worte fassen lässt. Der Kunsthistoriker Wilhelm Pinder kommentiert: »Kolbes Gestalten erzählen wenig, aber sagen viel.«1 Geistiges und Seelisches – Begriffe, die in der Kunst, Literatur und Philosophie eine große Rolle spielen – sahen die Zeitgenossen in diesen Kunstwerken ausgedrückt. »Seele« vermittelt sich bei den Figuren vor allem durch den Gefühlsausdruck, was der Künstler anschaulich beschreibt: »In der Kunst gibt es nichts auszuklügeln, der Verstand kommt erst in zweiter Linie – die Empfindung ist alles.«2
1 Zit. nach: Ursel Berger (Hg.),»Georg Kolbe 1877-1947«, Ausst-Kat. Georg-Kolbe-Museum, Berlin 1997, S. 28.
2 Brief vom 15. Juni 1912, zit. nach: ebd., S. 28.