Gerhard Richter

Ohne Titel (MV. 42)
2011

Gerhard Richter, Ohne Titel (MV. 42)
© Gerhard Richter

Öl auf Fotografie

10 × 15 cm

Signiert, datiert und "MV. 42" (Museum Visit) nummeriert auf dem Unterlagekarton sowie rückseitig "42" nummeriert

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Provenienz

Atelier des Künstlers; Tate Modern, London; Privatsammlung Niederlande; Galerie Ludorff, Düsseldorf (2015); Privatsammlung Düsseldorf

Ausstellungen
  • Galerie Ludorff, "Gerhard Richter. Abstrakte Bilder", Düsseldorf 2013
Literatur
  • Galerie Ludorff, "Gerhard Richter", Düsseldorf 2013, S. 18

Kaum ein zeitgenössischer Künstler ist derzeit so in aller Munde wie der in Köln arbeitende und lebende Gerhard Richter. Anlässlich seines diesjährigen 80. Geburtstags finden auf der ganzen Welt Ausstellungen1) statt, um sein vielfältiges Œuvre zu ehren. Eine ganz besondere Werkgruppe in seinem Schaffen ist die der übermalten Fotografien, in denen Richter seit den späten 1980er Jahren die beiden wesentlichen Werkkomplexe seines Œuvres, nämlich die fotorealistische mit der abstrakten Bildsprache konfrontiert. Richter gelangt zu dieser Technik nach eigenen Angaben zufällig, ist jedoch sofort überzeugt von der Wechselwirkung zwischen den Medien Fotografie und Malerei, weswegen er dieses Verfahren seit 1989 stetig weiterentwickelt.2)

Das vorliegende Werk entsteht 2011 im Rahmen der Planung der großen Einzelausstellung des Künstlers in der Tate Modern in London. Das Werk entstammt der Serie „Museum Visit“ („Museumsbesuche“), worauf die Abkürzung „MV“ im Titel der Arbeit verweist. Auf der von Richter persönlich angefertigten und übermalten Schwarz-Weiß-Fotografie sind Fassadenwände erkennbar, auf welchen sich ein reges Licht- und Schattenspiel abzeichnet. Anhand der charakteristischen lang gezogenen Fensteröffnungen erkennt man, dass es sich in der Tat um eine Aufnahme des Innern der Tate Modern, dem großen Museum für moderne und zeitgenössische Kunst in London handelt, das sich in einem umgebauten Kraftwerk direkt an der Themse befindet.3) Die Fotografie ist zu großen Teilen von einer Schicht weißer Farbe überlagert, welche sich in breiten, erhabenen Schlieren in der unteren Bildhälfte über das Fotopapier zieht und die fotografische Darstellung nur in wenigen Partien erahnen lässt.

Das Vorgehen des Künstlers ist eine Abfolge mehrerer Tätigkeiten. Zunächst wählt Richter eine seiner schnappschussartigen Fotografien aus, die auf Spaziergängen, Reisen oder im Familien- und Freundeskreis entstehen.4) Anschließend übermalt Richter die Fotografie mit feuchter Ölfarbe, dazu nutzt er nicht selten Farbreste, die sich nach der Arbeit an seinen abstrakten Gemälden noch auf dem Rakel, einem großen Farbspachtel, befinden und drückt die Fotos in die Farbe hinein, besprenkelt sie oder zieht sie über die Kante des Kunststoffspachtels. Durch den ausgeübten Druck und die Farbverteilung entscheidet sich fast zufällig, wie viel Farbe an welcher Stelle der Fotografie zurückbleibt. In jüngeren, übermalten Fotografien arbeitet Richter wieder mit dünneren Farblacken, mit denen er bereits in den frühen 1980er Jahren experimentierte. Diese Lacke werden auf den Bildträger geschüttet, so dass sie sich dünnflüssig auf dem Blatt verteilen. Auch hier kann Richter den Zufall nur bedingt steuern. Das entstandene Bild ist immer ein Geschenk, dass Richter aber nicht selten verwirft.

Auch im vorliegenden Werk tritt die Darstellung der Fotografie in eine spannungsreiche Auseinandersetzung mit der geschütteten und zufällig über das Bild zerfließenden weißen Farbe. Richter dreht die allgemein mit beiden Medien in Verbindung gebrachten Konnotationen um und betont den Gehalt dieser kleinformatigen Arbeiten wie folgt: „Die Fotografie hat fast keine Realität, ist fast nur Bild. Und die Malerei hat immer Realität, die Farbe kann man anfassen, sie hat Präsenz; sie ergibt aber immer ein Bild – egal, wie gut oder schlecht. Theorie, die nichts bringt. Ich habe kleine Fotos gemacht, die ich mit Farbe beschmierte. Da ist etwas von dieser Problematik zusammengekommen, und das ist ganz gut, besser als das, was ich darüber sagen konnte.“5)

Anm.: 1)Vgl. Tate Modern, London/Neue und Alte Nationalgalerie, Berlin/Musée national d‘art moderne Centre Georges Pompidou, Paris, „Gerhard Richter: Panorama“, 2011/2012; Musée du Louvre, Paris, „Gerhard Richter. Zeichnungen und andere Arbeiten auf Papier“

2)Vgl. Gerhard Richter im Gespräch mit Markus Heinzelmann am 23. April 2004,

zit. nach Markus Heinzelmann: „Verwischungen. Die übermalten Fotografien von Gerhard Richter als Objekte der Betrachtung“, in: „Gerhard Richter. Übermalte Fotografien“, Ausst.-Kat. Museum Morsbroich, Leverkusen, Ostfildern-Ruit 2008, S. 87 f.

3)Zur Entstehungszeit des Bildes findet in der Tate Gallery of Modern Art eine große Richterausstellung mit dem Titel „Gerhard Richter. Panorama“ statt. Es ist anzunehmen, dass die Fotografie entstand, als Richter jene ihm gewidmete Ausstellung besuchte.

4)Vgl. auch im Folgenden: Markus Heinzelmann, „Verwischungen. Die übermalten Fotografien von Gerhard Richter als Objekte der Betrachtung“, in: Ebd., S. 81 ff.

5)Gerhard Richter in einem Interview mit Jonas Storsve 1991, zit. nach Dietmar Elger und Hans-Ulrich Obrist, „Gerhard Richter. Text 1961 bis 2007. Schriften, Interviews, Briefe“, Köln 2008, S. 278.

Über Gerhard Richter

Gerhard Richter setzt sich bereits gegen Ende der 1960er Jahre intensiv mit der abstrakten Malerei auseinander, erstellt zunächst jedoch nur auf Fotografien basierende Portraits und Stillleben, die durch ihre spezifischen Bildausschnitte und Unschärfen realitätsverfremdend wirken.

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