Hermann Hesse
Die Geheimnisvolle
1929
Aquarell und Tusche auf Papier
2 Blätter je 22,5 × 17,7 cm
Dazu das handgeschriebene Gedicht in 18 Zeilen
Martha Redlhammer, Gablonz; Nachlass Martha Redlhammer
- Galerie Ludorff, Neuerwerbungen Frühjahr 2021, Düsseldorf 2021
- Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Frühjahr 2021", Düsseldorf 2021, S. 80
Die Geheimnisvolle
So viele Frauen, wenn sie lieben, geben
Uns in der Wollust ihr Geheimnis preis,
Wir pflücken es und kennen sie fürs Leben.
Denn ob die Liebe auch zu täuschen weiß,
Ob auch die Wollust noch vermag zu trügen:
Wo beide Eins sind, können sie nicht lügen.
Du hast mit mir das Sakrament gefeiert,
Und Wollust schien bei dir mit Liebe Eins,
Und dennoch hast du dich mir nicht entschleiert,
Du hast das bange Rätsel deines Seins
Mir nie gelöst und anvertraut im Lieben,
Bist immer ein Geheimnis mir geblieben.
Dann bist du, plötzlich meiner müd, gegangen,
Und tatest mir zum letzten Male weh.
Ein Stück von mir blieb noch bei dir gefangen,
Und wenn ich fern dich Schlanke gehen seh,
Kann ich die fremde schöne Frau begehren,
Als ob wir nie ein Paar gewesen wären.