Lotte Laserstein
Damenporträt mit vorgestreckten Armen, Dreiviertelprofil nach links
ca. 1940-1945
Öl auf Papier
47 × 60 cm
Signiert
Wir danken Frau Dr. Anna-Carola Krausse, Berlin, für die Bestätigung der Echtheit des Werkes und ihre freundliche Unterstützung bei der Werkrecherche
Privatsammlung Schweden
- Galerie Ludorff, Neuerwerbungen Frühjahr 2022, Düsseldorf 2022
- Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Frühjahr 2022", Düsseldorf 2022, S. 89
Die in Preußisch-Holland (heute Pasłęk, Polen) geborene und in Berlin an der Hochschule der Künste ausgebildete Lotte Laserstein verschrieb ihr Leben der Kunst und wollte als freischaffende Künstlerin in einer Zeit anerkannt werden, in der dieser Beruf für Frauen absolut unüblich war.1 Von 1928 – 1933 hatte sie bereits 20 Ausstellungsbeteiligungen, wurde von ihren Zeitgenossinnen, Kolleginnen und Kritiker*innen bewundert und als äußerst talentiert beschrieben.2 Nach den ersten, sehr erfolgreichen Jahren musste sie 1937 aufgrund ihres jüdischen Glaubens aber ins Exil nach Schweden emigrieren.
Von Beginn an zeichnet sich ihr Werk durch eine exzellente Auffassungsgabe aus, die sie vorrangig der Akt- und Porträtmalerei widmet. Laserstein fiel es leicht, die menschliche Anatomie wiederzugeben und so stellt das Porträt das zentrale Thema in ihrem Œuvre dar. Die Emigration hielt die junge Frau nicht auf, sich mit der Kunst bis zu ihrem Tod im Jahr 1993 als Gesellschaftsporträtistin und mit konventionellen Auftragsarbeiten für die schwedische Oberschicht ihren Lebensunterhalt zu verdienen. In Deutschland hingegen gerät ihr Schaffen über viele Jahrzehnte in Vergessenheit. Erst Ausstellungen im internationalen Kunsthandel und bedeutende Museumsausstellungen im Städel Museum Frankfurt (2018) und der Berlinischen Galerie (2019) rufen das Schaffen der Künstlerin wieder in Erinnerung.
Die Zeichnung ist von Beginn an für Laserstein ein eigenständiges Medium, das nicht nur als Studie fungiert. Mit zarten Strichen, oft auch direkt mit Ölfarben auf Papier, erreicht sie ihren ganz eigenen Stil. Ein sehr lebendiger Pinselduktus lässt das Bild bewegt erscheinen, trotz vermeintlich schneller Linienführung sitzt jeder Strich am rechten Fleck. Sie arbeitet mit einer hellen Farbpalette und einem hauchdünnen Farbauftrag, das Papier bleibt oft frei und ergänzt das Farbenspiel. Neben den Auftragsarbeiten befasste sich Laserstein mit einem ganz bestimmten Typ Frau – die »Neue Frau«3 wie er im Film, Magazin und Werbung propagiert wird. Emanzipiert, sportlich, androgyn, mondän, mit kurzen Haaren und lockerer Kleidung stellt er das Ideal der Zeit dar. In Deutschland war Traute Rose das langjährige Model an ihrer Seite und in Schweden wurde es Margarete Jaraczewsky (genannt Madeleine). So ist sie auch in unserer Kohlezeichnung aus den frühen 1940er Jahren mit einer Freundin zu sehen (S.85). Nach vorne ausgerichtet schauen die zwei Frauen den Betrachtenden direkt an. Vom Hut bis zum Schulteransatz arbeitet Laserstein die Bildnisse in einfachen Linien aus, nur die Gesichter und Haare sind durch flächigere Schattierungen detaillierter herausgebildet, charakterisieren die Frauen und lassen sie wiedererkennbar werden.
In unserer zweiten Zeichnung zeigt sich Lasersteins Technik direkt mit Öl auf Papier zu zeichnen. In zarten, klaren Linien arbeitet sie das Bildnis eines Frauenkopfes mit Schleierhut und hochgestecktem Haar heraus. Die Hals-, Kinn-, Lippen-, Nasen- und Ohrenpartien sind in einer einzelnen Linie ausgeführt. Der Schleier verdeckt die Augenpartie und ist in seiner Schlichtheit nur aus Punkten bestehend doch flächenfüllend.
Die Lippen sind in einem zarten Rot ausgemalt und stehen im Kontrast zu dem dunkleren lila Ansatz des Hutes. Noch sinnlicher wird es in der dritten Zeichnung. Hier zeigt sich eine Frauendarstellung auf der rechten Bildhälfte. Sie selbst ist nach links gedreht und streckt die Arme von sich, ihr Blick verliert sich träumerisch auf ihren Händen. Die Arme und der Körper sind in einer zarten Linie, aber unterschiedlicher Farbigkeit wiedergegeben. Die Arme in einem dunklen Rot und die Lippen, Nasenspitze, Wimpern und Augenbrauen mit der Komplementärfarbe Grün. Der Kopf ist detailreicher mit Schattierungen und hübsch frisierten Haaren und schmückenden Ohrringen ausgearbeitet. Ob die Frau bekleidet oder nackt ist, lässt sich nicht sagen. Laserstein gehört jedoch zu den ersten Frauen, die sich in einer männlich dominierten Szene, der Aktmalerei, behauptet. Den Blick des Voyeurs übernimmt nun eine Frau und überführt ihn von einem erotischen Blick der Begierde in einen beobachtenden. In einer Zeit der Industrialisierung und rasender Metropolen wählt Laserstein ruhige Betrachtungen, intime Darstellungen, um die Natürlichkeit der Menschen wiederzugeben.
1 Lotte Laserstein war eine der ersten Frauen an der Akademie der Künste in Berlin, die erst ab 1919 Frauen aufnahm. Laserstein studierte dort ab 1921.
2 Vgl. Elena Schroll, Vom Rampenlicht ins Schattendasein? Lotte Laserstein – eine Malerin der verschollenen Generation, in: Alexander Eiling u. Elea Schroll (Hg.), »Lotte Laserstein. An Angesicht zu Angesicht«, Ausst.-Kat., Städel Museum, Frankfurt am Main, München, S. 34.
3 Vgl. Anna-Carola Krausse, Typisierte Individuen und individualisierte Typen, in: »Lotte Laserstein. Meine einzige Wirklichkeit«, Berlin 2018, S. 81.