Fondazione Prada, Mailand:
"TYPOLOGIEN. Photography in 20th-Century Germany"
3. April - 14. Juni 2025
„Typologien“ ist eine umfassende Studie, die sich der deutschen Fotografie des 20. Jahrhunderts widmet. Die Ausstellung im Podium, dem zentralen Gebäude des Mailänder Hauptsitzes, wird von Susanne Pfeffer, Kunsthistorikerin und Direktorin des MUSEUM MMK FÜR MODERNE KUNST, Frankfurt, kuratiert.
Das Projekt versucht, das Prinzip der „Typologie“ anzuwenden, das seinen Ursprung in der Botanik des 17. und 18. Jahrhunderts hat, um Pflanzen zu kategorisieren und zu studieren, und das in der Fotografie zu Beginn des 19. Jahrhunderts auftauchte und sich in Deutschland im 20. Jahrhundert durchsetzte. Paradoxerweise ermöglicht das gegebene formale Prinzip unerwartete Konvergenzen zwischen deutschen Künstlern verschiedener Generationen und die Manifestation ihrer individuellen Ansätze.
Der Ausstellungsparcours folgt eher einer typologischen als einer chronologischen Reihenfolge und versammelt mehr als 600 fotografische Werke von 25 bekannten und weniger bekannten Künstlern, die für die Erzählung eines Jahrhunderts deutscher Fotografie wesentlich sind, darunter Bernd und Hilla Becher, Sibylle Bergemann, Karl Blossfeldt, Ursula Böhmer, Christian Borchert, Margit Emmrich, Hans-Peter Feldmann, Isa Genzken, Andreas Gursky, Candida Höfer, Lotte Jacobi, Jochen Lempert, Simone Nieweg, Sigmar Polke, Gerhard Richter, Heinrich Riebesehl, Thomas Ruff, August Sander, Ursula Schulz-Dornburg, Thomas Struth, Wolfgang Tillmans, Rosemarie Trockel, Umbo (Otto Umbehr) und Marianne Wex. Ein System von abgehängten Wänden wird den Ausstellungsraum geometrisch unterteilen und unerwartete Verbindungen zwischen künstlerischen Praktiken schaffen, die sich voneinander unterscheiden, aber durch ein gemeinsames Prinzip oder eine gemeinsame Absicht der Klassifizierung verbunden sind.
Susanne Pfeffer sagt dazu: „Nur durch die Gegenüberstellung und den direkten Vergleich ist es möglich herauszufinden, was individuell und was universell ist, was normativ oder real ist. Unterschiede zeugen vom Reichtum der Natur und der Phantasie des Menschen: der Farn, die Kuh, der Mensch, das Ohr; die Bushaltestelle, der Wasserturm, die Stereoanlage, das Museum. Der typologische Vergleich ermöglicht es, Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und das Spezifische zu begreifen. Unbekannte oder bisher nicht wahrgenommene Dinge über die Natur, das Tier oder den Gegenstand, über Ort und Zeit werden sichtbar und erkennbar.“
In der Fotografie bedeutet die Verwendung von Typologien, dass die Gleichwertigkeit der Bilder und die Abwesenheit von Hierarchien in Bezug auf die dargestellten Themen, Motive, Genres und Quellen bestätigt wird. Dennoch bleibt die Typologie ein äußerst anspruchsvoller und komplexer Begriff. Sie operiert in einem paradoxen Regime: Einerseits kann dieser Ansatz zu einer systematischen Erfassung von Personen und Objekten führen, die auf extremer Objektivität beruht; andererseits entspricht die Typologie einer individuellen und willkürlichen Auswahl, die sich als beunruhigender und potenziell subversiver Akt entpuppt. Die Hypothese, dass die Fotografie eine Schlüsselrolle nicht nur bei der Fixierung markanter Phänomene, sondern auch bei der Organisation und Klassifizierung einer Vielzahl sichtbarer Erscheinungsformen spielt, bleibt eine wesentliche Kraft in den heutigen künstlerischen Bemühungen, die Komplexität unserer sozialen und kulturellen Realitäten zu bewältigen. Mit der Verbreitung digitaler Bilder und Praktiken wird das Konzept der Typologie von zeitgenössischen Fotografen und Künstlern weiterhin in Frage gestellt und neu definiert.
Susanne Pfeffer unterstreicht: „Das Einzigartige, das Individuelle, scheint in einer globalen Masse aufgegangen zu sein, die Universalität der Dinge ist allgegenwärtig. Das Internet erlaubt es, Typologien in Sekundenschnelle zu erstellen. Doch gerade dann scheint es für Künstler wichtig zu sein, genauer hinzuschauen“. Pfeffer erklärt weiter: „Wenn die Gegenwart die Zukunft aufgegeben zu haben scheint, müssen wir die Vergangenheit genauer betrachten. Wenn alles zu schreien scheint und immer brutaler wird, ist es wichtig, innezuhalten und die Stille zu nutzen, um klar zu sehen und zu denken. Wenn Unterschiede nicht als etwas anderes gesehen werden, sondern als etwas, das uns trennt, ist es wichtig, die Gemeinsamkeiten zu erkennen. Typologien ermöglichen es uns, bemerkenswerte Ähnlichkeiten und subtile Unterschiede zu erkennen.“