Bernd & Hilla Becher
Neuss am Rhein
1990
Silbergelatineabzug auf Agfa Papier
51,6 × 59,9 cm
Signiert von beiden Künstlern, datiert, betitelt und "1/5" nummeriert auf der Rückseite
Auflage 5
Atelier der Künstler; Achenbach Art Consulting, Düsseldorf (-1991); Privatsammlung Europa (1991-2023)
- Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Frühjahr 2024", Düsseldorf 2024
- Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Frühjahr 2024", Düsseldorf 2024, S. 12
Als Pioniere der dokumentarischen Fotografie wurden Bernd und Hilla Becher für ihre seriellen Aufnahmen industrieller Bauten international anerkannt. Über Jahrzehnte beeinflussten sie die zeitgenössische Kunstszene im Bereich der Fotografie. Ihr bekanntes Werk umfasst fotografische Serien von Wassertürmen, Gasbehältern, Hochöfen, Kühltürmen und anderen industriellen Strukturen. Diese wurden stets in einem neutralen, sachlichen Stil aufgenommen, oft bei diffuser Beleuchtung und unter Vermeidung dramatischer Effekte. Ihre Motive fand das Künstlerehepaar zwischen 1959 und 2007 insbesondere in Europa und den USA. Als Lehrende an der Düsseldorfer Kunstakademie prägten sie die »Düsseldorfer Photoschule«.
Bernd und Hilla Becher begriffen Industriebauten als kulturelle Artefakte. Durch ihre dokumentarische Fotografie verfolgten sie den Ansatz, jene dem Abriss geweihten Bauten in einer Art Inventur für die Nachwelt festzuhalten. Dabei legten sie großen Wert auf die formale Ästhetik der Strukturen und deren Klassifizierung. Deshalb arrangierten sie ihre Werke oft nach bestimmten Kriterien in Rasterform, um die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den einzelnen Strukturen zu verdeutlichen. Diese systematische Herangehensweise in sogenannten Typologien ist typisch für ihr Werk.
Als Einzelwerke repräsentieren die Fotografien allgemein die Auseinandersetzung des Duos mit den Veränderungen durch die Industrialisierung. Schon früh begriffen die beiden, dass diese nicht nur technische Bauwerke beeinflusst, sondern auch deren Rolle als Teil einer kulturellen Landschaft. Retrospektiv gelang es Bernd und Hilla Becher, die Wechselwirkung zwischen Technik, Wirtschaft und Gesellschaft in einer Fotografie zu verdeutlichen. Denn was den Ansprüchen von gestern noch genügte, ist heute oft längst überholt – wie die Bauwerke in diesen beiden Arbeiten. Auch vor ihnen machten Modernisierung, Abriss und Veränderung keinen Halt: weder vor der Hochsilo-Anlage für Futtermittel in Neuss am Rhein noch vor der Industrie- landschaft in Duisburg-Bruckhausen.
Das Hüttenwerk der damaligen Thyssen Stahl AG im Duisburger Stadtteil Bruckhausen hat einen tiefgreifenden Wandel hinter sich. Seit seiner Errichtung ab 1889, erlebte es mehrere Phasen des Wachstums und der Expansion. Schon in den 1950er und 1960er Jahren wuchs die Hütte mit Kokerei und Hochöfen mit Nebenanlagen zum größten Hüttenwerk Europas heran. Als Bernd und Hilla Becher 1999 diese Aufnahme von der Hauptverwaltung aus machten, hatte sich die Industrielandschaft längst in das kulturelle Gedächtnis eingeprägt.
In unmittelbarer Nähe zu der Anlage befanden sich Wohngebiete. Nur wenige hundert Meter und die hier diagonal durchs Bild verlaufende KaiserWilhelm-Straße trennten Arbeitsplätze und Personal. Heute existiert die Kokerei auf dem Gelände nicht mehr. Nicht zuletzt das sich wandelnde Umweltbewusstsein und die daraus resultierenden Anforderungen an den Betrieb führten zum Neubau der Anlage am Rhein in Duisburg Schwelgern. Auch die Hochofenlandschaft hat sich verändert. Heute stehen auf dem Werksteil Bruckhausen nur noch zwei Hochöfen. Ein neu erbauter Grüngürtel schafft zudem mehr Platz zwischen Industrie und Wohnbebauung.