George Grosz, Indianer

Tusche auf Papier

15,6 × 12 cm

Illustration für "Die Abenteuer des Herrn Tartarin aus Tarascon" von Alphonse Daudet, 1921

Aufgenommen in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis der Papierarbeiten von Ralph Jentsch

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Expertise

Ralph Jentsch, Rom

Provenienz

Atelier des Künstlers (1920); Antiquariat Frank Albrecht, Schriesheim (1997); Sammlung Frank Whitford, Cambridge, England (bis 2014)

Ausstellungen
  • Galerie Ludorff, "Drawn World: Zeichnungen von Menzel bis Warhol", Düsseldorf 2019
Literatur
  • Galerie Ludorff, "Drawn World. Zeichnungen von Menzel bis Warhol", Düsseldorf 2019, S. 57
  • George Grosz, "Ein kleines Ja und ein großes Nein. Sein Leben von ihm selbst erzählt", Reinbek 1973, S. 73
  • Alphonse Daudet, "Die Abenteuer des Herrn Tartarin aus Tarascon", Berlin 1921, S. 26

Tendenziell verbindet man mit George Grosz’ Werken der 1920er Jahre vornehmlich Themen und Motive, die sich mit dem deutschen Zeitgeschehen, der Gesellschaft und vor allem der Politik auseinandersetzen. Zu Beginn dieses Jahrzehnts war die politische Situation in Berlin und die des Künstlers alles andere als ruhig und geordnet. Nachdem Grosz 1918 in die Kommunistische Partei Deutschlands eingetreten war und er bereits seit 1917 im Malik-Verlag Lithografie-Mappen und Zeitungen mit politisch-satirischem Inhalt veröffentlicht hatte, kam es 1921 – dem Entstehungsjahr unserer Tuschezeichnung »Indianer« – erstmalig zu einem Prozess wegen »Beleidigung der Reichswehr«1 gegen ihn. Parallel zu seinen politischen Auseinandersetzungen entwarf der Künstler Bühnenbilder und Kostüme für Theaterstücke, die in Berlin aufgeführt wurden und illustrierte Kinderbücher.2 Inspiration für seine Werke suchte er unter anderem in Kinderzeichnungen und Groschenromanen, wobei letztere häufig im Wilden Westen spielten.3 So ist es nicht verwunderlich, dass die vorliegende Tuschezeichnung einen Indianer zeigt. Gerade zu Beginn des 20. Jhs. waren in Deutschland die amerikanischen Romane über »Lederstrumpf« sowie die Abenteuerromane von Karl May sehr beliebt und viele träumten deswegen vom »gelobten Land« Amerika.4

Unser »Indianer« gehört zu einer Gruppe von Zeichnungen, die der Illustration des Buches »Die Abenteuer des Helden Tartarin von Tarascon« von Alphonse Daudet dienten. Die Erzählungen spielen in einer kleinen Gemeinde in Südfrankreich, in der der Hauptcharakter Tartarin lebt. Im Dorf kursieren die wildesten Gerüchte über Tartarin, der als Held vieler Schlachten auf fernen Kontinenten und als erfolgreicher Jäger gefeiert wird. Doch schon bald wird dem Leser offenbart, dass seine ruhmreichen Taten hauptsächlich in Tartarins Phantasie passierten.⁵ Der hier dargestellte Indianer, dem der Protagonist wohl in einer Schlacht im fernen Amerika begegnet sein möchte, ist den phantastischen Erzählungen Tartarins gemäß ebenso grotesk von Grosz gezeichnet worden. Im Profil offenbaren sich die mehr als markante Nase, der finstere Blick und die großen, strahlenden Zähne. Trotz des dramatischen Inhalts der Erzählungen Tartarins verheimlicht uns Grosz in dieser Zeichnung nicht das für ihn typische Augenzwinkern, mit dem er subtil in die Darstellung eingreift. So erscheint der finstere Indianer auf seine ganz eigene Art zwar listig, zugleich aber auch fröhlich. Die zerzausten Federn seines Kopfschmuckes, die ungeordneten Perlen und Tier­zähne an seiner Halskette sowie die Gesichtsbemalung, die sich zu überdimensionierten Grübchen ausdehnt, unterstreichen das Gefühl, dass es sich bei dem Indianer nicht um einen blutrünstigen Krieger eines Geschichtsdramas, sondern vielmehr um einen fröhlichen Darsteller eines humorvolleren Genres handelt.

1 Serge Sabarsky, »George Grosz: Die Berliner Jahre«, Hamburg 1986, S. 45.

2 Ebd., S. 18.

3 Ivo Kranzfelder, »George Grosz 1893-1959«, Köln 1993, S. 15.

4 Ivo Kranzfelder, »George Grosz 1893-1959«, Köln 1993, S. 17.

5 Vgl. Alphonse Daudet, »Tartarin von Tarascon«, Frankfurt am Main 1962.

Über George Grosz

Der deutsch-amerikanische Maler und Karikaturist George Grosz zählt zu den Hauptvertretern der Neuen Sachlichkeit. Mit seinen scharfsinnigen Illustrationen der wilhelminischen Gesellschaft übte er Kritik an den politischen und sozialen Umständen in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

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