Gotthard Graubner
Ohne Titel
1977
»Ich benutze Farbe nicht als Illustration von literarischen Themen. Farbe ist mir selbst Thema genug.«1 Gotthard Graubner, 1930 im sächsischen Erlbach geboren, zählt zu den herausragenden Vertretern der gegenstandslosen Malerei. 1954 verlässt Graubner die DDR und lässt sich in Düsseldorf nieder. 1959 beendet er sein Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie. Zuvor hatte er bereits an den Kunsthochschulen in Berlin und Dresden gelernt. Der Akademie in Düsseldorf bleibt er treu und kehrt von 1976 bis 1988 als Professor für freie Malerei zurück. Er stirbt 2013 in Neuss. Wie kaum ein anderer deutscher Künstler hat sich Graubner in seinen ungegenständlichen Bildern mit der Wirkung von Farbe auf unterschiedlichsten Bildträgern auseinandergesetzt. In seinen Werken entfaltet die Farbe unabhängig von gegenständlicher oder thematischer Einbindung ein Eigenleben. Durch das Experimentieren mit Farbe und Raum verschiebt der Künstler seit den 1960er Jahren immer wieder die Grenzen der Malerei. Seine anfangs noch an die zweidimensionale Fläche gebundenen Werke greifen von Jahr zu Jahr immer stärker in den Raum ein und werden seit Mitte der 1960er Jahre immer häufiger zu dreidimensionalen Körpern, den so genannten »Farbraumkörpern«, für die der Künstler weithin bekannt ist. Die Malerei auf Leinwand und auf Papier ist im Werk Gotthard Graubners jedoch nahezu gleichbedeutend. So hat das Arbeiten auf Papier nie lediglich vorbereitenden Charakter für spätere Leinwandarbeiten. Vielmehr ist Graubner stets an den spezifischen Qualitäten unterschiedlicher Papiere und der Wirkung auf seine Malerei interessiert. Auch verschwimmen bei Graubner oft die Grenzen zwischen den eher körperlichen Leinwänden und den flacheren Papierarbeiten, nämlich wenn Papierarbeiten später auf Leinwand aufgezogen werden oder er nur die »abgezogenen Häute« der ehemals als Leinwandarbeiten entstandenen Arbeiten ausstellt. Unsere Arbeit in Mischtechnik auf Papier ist 1977 entstanden und erinnert in ihrer formalen Gestaltung an einen der berühmten Farbraumkörper. Das Blatt zeigt ein Quadrat, das in dunklem Rosa vor einem grau-braunen Hintergrund schwebt. Die Ecken des Quadrates sind abgerundet und die Struktur des Papiers betont den Eindruck von Räumlichkeit, den der Maler durch den lasierenden Auftrag mehrerer Farbschichten erzeugt. Die verwendeten Farben sind, wie so oft in Graubners Werk, eher unspezifisch. Durch den uneinheitlichen Auftrag und durch die Vermischung mehrere übereinandergelegter Farbschichten verleiht Graubner der quadratischen Form eine leichte, fast schwebende Anmutung und eine recht lebendige, bewegte, fast schimmernde Oberfläche. Graubners intime und besonders ausdrucksstarke Papierarbeiten prägen sein künstlerisches Schaffen bis in die 1970er Jahre und greifen in Ihrer Anmutung und in ihrer formalen Anlage den späteren Farbraumkörpern oft vor. Graubner arbeitet bis zu seinem Tod im Jahr 2013 über Farbe und Form als grundlegendes Problem der Malerei. Wichtige Stationen seiner herausragenden Karriere sind zahlreiche Teilnahmen an der documenta in Kassel, die Einrichtung des Deutschen Pavillons auf der Biennale di Venezia (1982) sowie die als Auftragsarbeiten entstandenen Bilder für den Amtssitz des Bundespräsidenten im Schloss Bellevue in Berlin.
1 Zit. nach: Hamburger Kunsthalle (Hg.), »Gotthard Graubner«, Ausst.- Kat., Hamburg 1975/76, S. 86.