Hermann Max Pechstein

Kutter im Mühlengraben (Leba)
1940

Hermann Max Pechstein, Kutter im Mühlengraben (Leba)
© Pechstein Hamburg / Tökendorf

Aquarell auf Papier

60,3 × 77,4 cm

Signiert und datiert sowie rückseitig nochmals signiert und "Kutter im Hafen", "Berlin W.62." und "Kurfürstenstr. 126" bezeichnet

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Expertise

Alexander Pechstein, Dobersdorf

Provenienz

Sammlung Else von Hohenstein; Privatsammlung Großbritannien

»[…] ich bin ganz erfüllt vom Sommer…«1 schreibt Max Pechstein an George Grosz im November 1934 über die Wochen, die er zuvor im ostpommerschen Leba an der Ost­see verbringt. Seine Äußerung macht deutlich, welch inspirative Kraft der Künstler aus den regelmäßigen Sommeraufenthalten an der See zieht. Von 1909 bis 1920 reist Pechstein noch regelmäßig zum Malen nach Nidden an der kurischen Nehrung bis ihm die alliierte Besatzung seine Reisen dorthin unmöglich macht. 1921 stößt er auf das Örtchen Leba im heutigen Polen, wo er noch im selben Jahr seine spätere, zweite Frau Marta kennenlernt. Die umliegende Gegend mit ihren Gewässern, Dünenlandschaften und Sonnenuntergängen wird das Werk Pechsteins bis 1945 motivisch stark prägen. Auch unser großformatiges Aquarell ist in Leba entstanden, wohin Pechstein im Juli 1940 mehrere Ausflüge unternimmt. Es zeigt den Hafen mit den im Lebastrom und am Ufer des Mühlengrabens liegenden Fischkuttern. Im Hintergrund lassen sich einzelne Häuser erkennen und die Szenerie wird von einem strahlend blauen Himmel, welcher von einem Wolkenband durchzogen ist, überragt. Insgesamt verwendet Pechstein eher kühle und zurückhaltende Farben, aber dennoch wirkt die Darstellung harmonisch und gleicht einer sommerlichen Idylle. Auffallend ist die detaillierte Ausgestaltung der hintereinander und leicht versetzt auf dem Wasser liegenden, unbemannten Segelboote. »Ich sog mich voll Licht und Farbe in der von den Menschen nicht verdorbenen Natur«2, beschreibt Pechstein seine Begeisterung für das klare Licht und die Intensität der Farben während seiner regelmäßigen Sommeraufenthalte am Meer. Eben jene intensive Wahrnehmung der landschaftlichen und atmosphärischen Bedingungen seines Umfelds setzt er, meist im Freien, unmittelbar vor dem Motiv malend und zeichnend gekonnt um. In Leba findet der Künstler einen abgeschiedenen Zufluchtsort, der ihn immer wieder zu intensivem Schaffen inspiriert. Pechstein unternimmt Malausflüge in die Umgebung mit ihrer kaum von der Zivilisation be­­rührten Natur. Insbesondere die Meeres- und Flusslandschaften mit ihren Segelschiffen, Ruderbooten und Fischerkähnen in unterschiedlichen Lichtverhältnissen hält er auf Papier und Leinwand fest. Die Schiffe stehen dabei für ihn, der selbst aus bescheidenen Verhältnissen stammt, exemplarisch für die schlichte Lebensform der Fischer: »Für Pechstein verwirklichte sich abseits der Haupt­stadt in den faszinierenden Landschaften und in dem oft einfachen Leben der Einheimischen seine Vision von Ursprünglichkeit und Authentizität.«3 Diese tief empfundene Sehnsucht nach dem ursprünglichen Leben findet sich bei allen »Brücke«-Künstlern. Ihre gemeinsam ent­wickelte, markante Formensprache und die kräftige Farbpalette finden sich in Pechsteins Werk auch noch nach den gemeinsamen Brücke-Jahren bis in die 1930er Jahre. Durch einen gelockerten Pinselstrich und einen zusehends dünneren Farbauftrag erreicht Pechstein in den späteren Werken jedoch eine gesteigerte atmosphärische Leichtigkeit, die die späteren Papierarbeiten typischerweise auszeichnen. So zeugt auch unser Aquarell von der positiven Energie und der großen Schaffenskraft, die die Aufenthalte am Meer bei Pechstein freisetzten.

1 Bernhard Fulda, »Lebensdaten, 1919-1955», in: Aya Soika, »Max Pechstein, Das Werkverzeichnis der Ölgemälde, 1919-1954, Bd. II«, München 2011, S. 27.

2 Maren Welsch, »Keitel- oder Kurenkahn, Yacht und Dampfer. Schiffe und Meer in den Bildern von Max Pechstein«, in: Kunsthalle zu Kiel/ Schleswig-holsteinischer Kunstverein/Kunstforum Ostdeutsche Galerie/Kunstmuseum Ahlen, »Hermann Max Pechstein – Ein Expressionist aus Leidenschaft«, Ausst.-Kat. München 2010, S. 112.

3 Ina Ewers-Schultz, »»Urtümliches Leben kugelt förmlich aus dem Rahmen«. Utopie und Wirklichkeit. Zur künstlerischen Bedeutung von Pechsteins Reisen.«, in: »Max Pechstein auf Reisen. Utopie und Wirklichkeit«, Ausst.-Kat. Stade/Zwickau/Würzburg 2013, S. 112

Über Hermann Max Pechstein

Der Expressionist Hermann Max Pechstein war Mitglied der „Brücke“, Mitbegründer der Neuen Secession in Berlin. Typisch für Pechstein sind seine leuchtenden Farben, die er in seinen Gemälden und seinen Arbeiten auf Papier in einem spannenden Kontrast zueinander auf den Malgrund setzt.

Weitere Werke