Max Liebermann, Selbstbildnis, Kopf

Öl auf Leinwand

50 × 40 cm

Signiert

Werkverzeichnis Eberle 1995 Nr. 1918/2

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Provenienz

Atelier des Künstlers; Kunstsalon Cassirer, Berlin (Kommissionsware von Max Liebermann 31. Okt. - 20. Nov.1921, unverkauft); Atelier des Künstlers (1921-); Isaak Eigenfeld und Claire Eigenfeld-Fisch, Oberhausen/Düsseldorf/Amsterdam (1920er Jahre - 1967/1981); Howard & Greta Leyser, NY (durch Erbschaft in Familienbesitz -2023)

Ausstellungen
  • Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Frühjahr 2024", Düsseldorf 2024
Literatur
  • Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Frühjahr 2024", Düsseldorf 2024, S. 86
  • Matthias Eberle, "Max Liebermann. Werkverzeichnis der Gemälde und Ölstudien 1900-1935", Bd. II, München 1996, Nr. 1918/2
  • Kunst und Künstler, XX. Jg., 1922, Heft 10, S. 339

1917 steht Max Liebermann auf dem Zenit seiner künstlerischen Akzeptanz. Anlässlich seines siebzigsten Geburtstages würdigt die Preußische Akademie den Künstler mit einer großen, eindrucksvollen Retrospektive, die beinahe 200 seiner Gemälde umfasst. Kaiser Wilhelm II. ehrt ihn mit dem Roten Adlerorden III. Klasse und 1918 wird das Max-Liebermann-Kabinett in der Nationalgalerie eröffnet.

Max Liebermann zählt zu den renommiertesten Künstlern seiner Zeit. Es gilt als chic, sich von ihm porträtieren zu lassen. Seinen Ruf als exzellenten Porträtmaler kann er bereits in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg festigen und eine Vielzahl wichtiger Persönlichkeiten aus dem Berliner Großbürgertum lassen sich von Liebermann malen. Aber auch im Umkehrschluss wird Liebermann als eine sehr einflussreiche Person wahrgenommen und von einer Vielzahl anderer Künstler verehrt. »Kein anderer Künstler der Kaiserzeit und der Weimarer Republik wurde so häufig von seinen Zeitgenossen porträtiert.« 1)

Das Thema des Selbstporträts ist ein wichtiger und stetig wiederkehrender Bestandteil seines Œuvres. In den vor dem Krieg entstandenen Selbstbetrachtungen gibt sich Liebermann häufig als kraftvoller und selbstbewusster Maler. Er zeigt sich gerne im Schaffensakt vor der Staffelei. Bei seinem 1918 entstandenen »Selbstbildnis, Kopf« zeigt sich der Künstler von einer intimeren und nachdenklicheren Seite. Im Dreiviertelporträt nach links blickend, wendet der Künstler seinen Blick zwar dem Betrachtenden zu, jedoch entsteht kein wirklicher Blickkontakt. Vielmehr scheinen seine dunklen Augen sinnierend in sich gekehrt zu sein.

Er malt sich vor einem neutralen braunen Hintergrund und es weist kein Attribut auf seinen Beruf des Künstlers hin. Über der dunklen Anzugsweste mit schwarzer Krawatte trägt er eine beige Jacke mit Revers. Dass es sich um seinen Malkittel handelt, erschließt sich erst mit dem Wissen, dass das Bild eine Vorstudie ist für das ebenfalls 1918 für die Kunsthalle Mannheim entstandene Gemälde »Selbstbildnis im Malkittel, sitzend nach rechts« (Abb. 1, S. 86). Beide Bilder zeigen im Gestus einen selbstbewussten Mann, der sich seiner Bekanntheit durchaus bewusst ist. Besonderes Augenmerk verdient jedoch, wie Max Liebermann es schafft, ein feinfühliges Bild seiner selbst zu zeichnen.

Das Bild entsteht 1918 im vierten Kriegsjahr: Max Liebermanns anfänglicher Kriegsbegeisterung und kaisertreuem Patriotismus folgen schnell Resignation und eine stetige Hinwendung ins Private. Wichtigster Rückzugsort ist für ihn sein Haus am Wannsee (vgl. S. 90 f.).

Besonderes Augenmerk verdient die spannende Provenienz des Gemäldes. Als Kommissionsware der renommierten Berliner Galerie Cassirer blieb es vorerst unverkauft und ging wohl zunächst auf unbestimmte Zeit zurück ins Atelier des Künstlers. Spätestens 1928 ging es jedoch in den Besitz des in der Ukraine geborenen Juden Isaak Isidor Eigenfeld über, der es seiner frischvermählten Frau Claire Eigenfeld-Fisch zur Hochzeit im selben Jahr schenkte. Eigenfeld war 1903 nach Oberhausen in Deutschland ausgewandert und betrieb dort an der Helmholtzstraße 17 sehr erfolgreich ein Möbelhaus. Nach ihrer Hochzeit zogen die Eigenfelds 1929 nach Düsseldorf, wo sie an der Brehmstraße 36 wohnten. Im Jahr 1933 sah sich die Familie Eigenfeld aufgrund nationalsozialistischer Anfeindungen zur Flucht nach Amsterdam gezwungen. Das vorliegende Selbstbildnis von Max Liebermann nahmen sie mit.

Als die Deutschen nur kurze Zeit später auch in Holland einmarschierten, war Greta, die junge Tochter des Paares, gezwungen, dort die Schule zu wechseln. In der jüdischen Schule, die sie nun besuchen musste, lernte sie Anne Frank und ihre Familie kennen.

Isaak Eigenfeld wurde bereits 1938 einmal von den Nationalsozialisten verhaftet. Aufgrund des zunehmenden Antisemitismus planten die Eigenfelds wohl Anfang der 1940er Jahre ihre Flucht ins Ausland. 1941 gaben sie die Arbeit von Max Liebermann sowie andere wertvolle Gegenstände bei einer niederländischen Familie in Den Haag in Verwahrung. Im Juli 1944 vermerkte das Standesamt, dass die Familie »mit unbekanntem Ziel abgereist« sei. In Wirklichkeit war die Familie aber bereits 1941 untergetaucht. Die Familie Eigenfeld überlebte den Krieg im Untergrund. Greta heiratete nach dem Krieg Horst Leyser, mit dem sie noch bis in die frühen 1960er Jahre in Holland lebte. Später gingen Greta und Horst nach Amerika, wo sie sich später Gita und Howard nannten. Isaak Eigenfeld starb 1966, Claire Eigenfeld-Fisch 1981 in den Niederlanden. Nach nahezu 100 Jahren in derselben Familiensammlung kommt das bedeutende Bildnis nach sehr ergreifendem Werdegang nun wieder auf den Kunstmarkt und aus den Vereinigten Staaten zurück an den Ort, wo es bereits vor 95 Jahren in einem damals noch sehr glücklichen Haushalt hing.

1) Alice Cazzola, in: »Wenn Bilder sprechen. Provenienzforschung zu Max Liebermann und seinem Netzwerk«, Berlin 2022, S. 25.

Über Max Liebermann

Als einer der wichtigsten Vertreter des deutschen Impressionismus sind Max Liebermanns Genreszenen, Gartenbilder und Landschaften in großen Museen vertreten.

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