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Meisterwerke des Monats

Anke Darrelmann und Nina Wagner über ihre persönlichen Highlights

Anke Darrelmann

Nina Wagner

"Karl Otto Götz setzt sich bereits ab 1933 mit der Abstraktion auseinander. Nach dem Krieg wird er 1949 als einziger deutscher Künstler Mitglied in der internationalen Künstlergruppe COBRA um Karel Appel, Asger Jorn und Corneille. Seine gegenstandslose Malerei ist ein zentraler Beitrag zur weltweiten Bewegung in der bildenden Kunst, die nach 1945 formal neue Wege beschritt, indem sie die radikale Auflösung des klassischen Formprinzips einleitet.
Ab 1952 hat Götz seinen typischen, gestischen Malstil gefunden. Seine Kompositionen sind dabei wohl durchdacht. Bevor Götz ein Ölbild beginnt, fertigt er zunächst Studien in Gouache, Acryl oder Bleistift an, um sich eine Grundkomposition zu erarbeiten. Erst wenn die Bildidee gereift ist, greift er zu Pinsel und Leinwand. Die vorher erdachten und präzise kalkulierten Formen und Strukturen werden dann in Sekundenschnelle auf die Leinwand übertragen. Bei unserer 1957 entstanden Gouache auf Karton kann man die Be­wegungen des Künstlers beim Schaffensprozess und die daraus resultierende Dynamik der Formen anschaulich nachvollziehen. Mit nur einer Farbe – Rot – Schwarz und Weiß schafft er eine harmonische Komposition, die sich sowohl in der Zeit als auch im Raum zu bewegen scheint."

"Lesser Ury verbringt seine Kindheit in Berlin. Mit 26 Jahren zieht es den jungen Mann über zehn Jahre lang quer durch Europa, bis er 1887 schließlich in seine Heimatstadt zurückkehrt. Die Metropole wird zu seinem bevorzugten künstlerischen Motiv. Immer wieder durchstreift Ury seine Umgebung und fängt als stiller Beobachter das städtische Leben in seiner ganzen Pracht ein. Zu unterschiedlichen Tageszeiten, im Licht der gleißenden Sonne oder im Dunkel der Nacht, und unter veränderten Witterungsverhältnissen entwirft er zahlreiche Ansichten der Großstadt und avanciert damit zu einem der bedeutendsten Wegbereiter des deutschen Impressionismus.
Gerade in seinen kleinformatigen Bildern, die direkt vor Ort gemalt werden, gelingt ihm eine eindrückliche Schilderung des Gesehenen, das in seiner kompositorischen und atmosphärischen Dichte den Großformaten ebenbürtig ist und ein besonders charakteristisches Stimmungsbild vom Leben im Berlin der 1920er Jahre vermittelt."

"Nach diversen Reisen kommt die Malerin Gabriele Münter zusammen mit ihrem damaligen Lebensgefährten Wassily Kandinsky 1908 zum ersten Mal in die kleine Ortschaft Murnau im bayerischen Oberland. Die landschaftliche Idylle spricht die beiden Künstler an und Münter fasst den Entschluss, ein Landhaus zu erwerben. Auf Spaziergängen und Ausflügen in der Umgebung entdeckt die Künstlerin ihre Motive, so auch unser querformatiges farbenfrohes Werk "Kirchlein von Riedhausen", welches im ersten Sommer in Murnau entsteht. Der Blick ist auf die Kirche gerichtet. In leuchtendem Gelb, Rot und Blau formuliert Münter die Kirchenansicht mit einem breiten Pinselstrich in gleichartige Farbflächen. Die violett getünchte Zwiebelturmspitze ragt in den strahlend blauen Sommerhimmel empor und seitlich an das Kirchenschiff drängt sich eine Baumgruppe, deren Grün im Komplementär-Kontrast zu dem roten Ziegeldach steht. Auf einer Anhöhe gelegen und zwischen Bäumen und Wiesen eingebettet, thront die Kirche und zieht den Betrachter magisch in ihren Bann. Münter umrandet die fast monochromen Farbflächen mit starken Konturen und erreicht eine Loslösung von der natürlichen Farbigkeit. Sie steigert hierdurch die Leuchtkraft und erreicht Farbeindrücke wie sie es in der traditionellen Hinterglasmalerei des Bayerischen Oberlandes studiert hatte.

"Der amerikanische Künstler Sol LeWitt gehört zu den Pionieren und wichtigsten Vertretern der Konzeptkunst.
Anfang der 1960er-Jahre entwickelte er seinen eigenen, ihn charakteristischen Stil mit einer minimalistischen Reduktion auf Farbe, Form und Muster. Die Ausführung war nur die Sichtbarmachung des eigentlichen Kunstwerks, der Idee, die sich an die geistige Wahrnehmung des Publikums richtete, nicht an die optische, wie es die Malerei tat. Mit seiner Abhandlung Paragraphs on Conceptual Art stellte er dieses Konzept der Kunstwelt vor und übte damit einen nachhaltigen Einfluss auf die Kunstgeschichte aus.

Stetig auf der Suche nach dem Superlativ des Malerischen, experimentiert der Düsseldorfer Künstler Winfred Gaul mit unterschiedlichsten Materialien, Farben und Formen und widmet sich nach seinen informellen Werken der 1950er Jahre der nächsten bedeutenden Phase seiner Malerei: der Zeichen und Signalkunst, zu welcher auch unserer Arbeit »Tag und Nacht I« gerechnet werden kann. Sie beschreibt eine quadratische Fläche, die wie eine Raute auf ihrer Spitze ausgerichtet ist. Die Komplementärfarben Orange und Violett, die die Bildfläche dominieren, bilden ebenfalls Rauten oder Streifen parallel zum Bildrand. Besonderer Anziehungspunkt für das Auge ist die kleine, rote Raute in der oberen Bildecke, die der Komposition eine besondere Spannung verleiht."

"In der Kunst des 20. Jahrhunderts gibt es nur wenige Künstler, die ihr künst­lerisches Konzept so nachhaltig verfolgt haben wie Hilla und Bernd Becher. Das Künstlerpaar hat mit seiner systematisch dokumentierenden Fotografie in den vergangenen 50 Jahren Kunstgeschichte geschrieben und Fotografen mehrerer Generationen nachhaltig beeinflusst. Seit den frühen 1960er Jahren entstehen sogenannte Typologien, Serien von verschiedenen Fachwerkhäusern und Bauwerken industrietechnischer Gattungen, wie etwa Fördertürmen, Hochöfen, Kohlebunkern, Fabrikhallen, Gasometern oder Ge­treide­silos, welche sie zunächst vornehmlich in Deutschland und den Beneluxländern, später in der ganzen Welt fotografieren.
Unsere Arbeit besteht aus insgesamt vier gleich großen Schwarz­Weiß-Abzügen von Wassertürmen aus Deutschland und Frankreich, die in den Jahren 1972 bis 1983 aufgenommen wurden."

"In seinen Bildern untersucht Pieter Vermeersch die der Malerei zugrundeliegenden Erfahrungsdimensionen von Farbe, Raum und Zeit. Ausgehend von fotografischen Aufnahmen unbestimmbarer Phänomene, wie zum Beispiel den monochromen Bildhintergründen altmeisterlicher Portraitmalereien oder Regenbögen, entstehen diffuse Atmosphärenbilder, in denen jegliche Referenz an Zeit und Ort abwesend ist. Durch die Repräsentation von etwas ehedem Abstrakten unterwandert Vermeersch zugleich jene kunsthistorische Grenzziehung, die die Malerei seit Anbeginn der Moderne in zwei Lager unterteilte: Figuration und Abstraktion."

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