Hermann Hesse

Landschaft im Tessin
1924

Hermann Hesse, Landschaft im Tessin

Aquarell und Bleistift auf Papier

27 × 20,5 cm

Signiert mit dem Monogramm und "24" datiert

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Provenienz

Privatsammlung Basel

Ausstellungen
  • Ernst Barlach Museum, "Hermann Hesse - Dichter, Maler, Kultfigur", Wedel 2018/2019

Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Juli 1914 meldet sich Hesse als Freiwilliger bei der deutschen Botschaft, wird jedoch für untauglich befunden und der deutschen Kriegsgefangenenfürsorge in Bern zugewiesen. Im Rahmen dieser Tätigkeit ist Hesse fortan damit beschäftigt, für deutsche Kriegsgefangene Bücher zu sammeln und zu verschicken. Am 3. November 1914 veröffentlicht er einen Aufsatz in der »Neuen Zürcher Zeitung«, in dem er an die deutschen Intellektuellen appelliert, nicht in nationalistische Polemik zu verfallen. Was darauf folgt, bezeichnet Hesse später als eine große Wende in seinem Leben: Erst­mals findet er sich inmitten einer heftigen politischen Auseinandersetzung wieder. Die deutsche Presse attackiert ihn, Hassbriefe gehen bei ihm ein und alte Freunde sagen sich von ihm los. Diese Konflikte sind noch nicht abgeklungen, als Hesse durch eine Folge von Schicksalsschlägen in eine noch tiefere Lebenskrise gestürzt wird.Hesse musste seinen Dienst bei der Gefangenenfürsorge unterbrechen und sich in psychotherapeutische Behandlung begeben. Als Hesse 1919 sein ziviles Leben wieder aufnehmen kann, ist seine Ehe zerrüttet. Er siedelt ins Tessin um und bezieht in Montagnola vier kleine Räume in der »Casa Camuzzi«, die in Hanglage oberhalb des Luganer Sees liegt. Von hier aus eröffnet sich dem Schriftsteller der weitläufige Blick über die Wald- und Gebirgslandschaft des Tessins. Hier kann sich Hesse wieder seiner schriftstellerischen Tätigkeit widmen und beginnt auf Anraten seines Arztes seine Träume und Gedanken in Bildern zu verarbeiten und festzuhalten.1

Anfangs experimentiert Hesse noch mit den verschiedenen künstlerischen Techniken wie Pastell, Kreide, Öl und Aquarell – schnell entscheidet er sich dann aber für die Technik des Aquarellierens, welche ihm für die Um­setzung seiner Bildideen am geeignetsten erscheint. Während seine frühen, noch in Bern entstandenen Arbeiten, noch etwas unbeholfen die verschiedenen Genres wie Stillleben und Portrait abhandeln, ist der Künstler nach einer Phase, in welcher er Einflüsse aus dem Kubismus verarbeitet, heute besonders für seine farbenfrohen, charakteristischen Landschaftsdarstellungen bekannt. Mit seinem Umzug in die Südschweiz im Jahr 1919 gelingt Hesse der Durchbruch zu einem eigenen und unverwechselbaren Stil – hier erfährt sein Werk eine »Wandlung […] von naturalistischer Zaghaftigkeit zu expressionistischer Farbintensität.«2 In seinen Blättern weicht die Detailverliebtheit nun der Vorliebe für die Komprimierung der Form auf das Wesentliche, und leuchtende Grundfarben ersetzen die blassen Mischfarben der An­fangsjahre. Als Hauptmotiv dient ihm jetzt vor allem die Landschaft, die Hesse auf seinen vielen Wanderungen er­­­kundet. Diese hält er zunächst in Bleistiftzeichnungen fest, um sie hernach mit sorgsam abgestuften Aquarellfarben zu kolorieren. Direkt in der Natur entstanden ist auch unser hochformatiges Aquarell »Landschaft im Tessin« aus dem Jahr 1924, das Hesses Wahlheimat in leuchtenden Farben wiedergibt. Vor der im Hintergrund liegenden, in verschiedenen Blauabstufungen wieder­­ge­gebenen, alpenländischen Gebirgskette stehen die einzelnen Häuser des Dörfchens dicht an dicht. Das Zentrum des Bildes prägt die etwas oberhalb liegende Kirche mit ihrem nur angedeuteten Kirchturm in der Ferne. Im Vordergrund zeigt Hesse eine mediterran anmutende Vegetation in Form von Palmen und anderen für diesen Landstrich typischen Gewächsen. In intensiven und variantenreichen Grün-, Blau- und Rottönen skizziert er die Charakteristika der Gegend. Hesse abstrahiert die Naturformen, er verliert sich nicht in Details, sondern stellt mit wenigen Strichen das Wesentliche des Motivs dar. Er schafft es, die unvergleichliche Atmosphäre dieses Landstrichs einzufangen, die dem Betrachter als eine »Ahnung von Sommer, von Hoffnung und Lebensfreude«3 erscheinen mag.

1 Schon mitten im Ersten Weltkrieg fertigt Hesse Handschriften mit aquarellierten Vignetten an, die er zugunsten der Kriegsgefangen-

fürsorge an Sammler und Bücherfreunde verkauft.

2 Volker Michels: »Farbe ist Leben – Hermann Hesse als Maler«, in: Galerie Ludorff (Hg.), »Hermann Hesse. 1877-1962. Aquarelle aus dem Tessin«, Ausst.-Kat., Düsseldorf 2004, S. 4.

3 Volker Michels, »Farbe ist Leben – Hermann Hesse als Maler«, in: Galerie Ludorff (Hg.), »Hermann Hesse. 1877-1962. Aquarelle aus dem Tessin«, Ausst.-Kat., Düsseldorf 2004, S. 14.

Über Hermann Hesse

Der Schriftsteller Hermann Hesse war auch als bildender Künstler tätig und schuf ein umfangreiches Werk an Aquarellen und Gedichtillustrationen.

Weitere Werke