Konrad Klapheck
Die Große Illusion
2003

Acryl auf Leinwand
80 × 110 cm
Signiert
Konrad Klapheck, 2005; Wir danken Rabbinerin Prof. Dr. Elisa Klapheck für die Bestätigung der Echtheit des Werkes.
Atelier des Künstlers; Galleria In Arco, Turin; Privatsammlung Norditalien
- Galerie Ludorff, Neuerwerbungen Herbst 2022, Düsseldorf 2022
- Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Herbst 2022", Düsseldorf 2022, S. 76
In dem Gemälde »Die Große Illusion« von 2003 zeigt Konrad Klapheck eine Schreibmaschine vor farbigem Grund. In klaren Formen malt der Künstler die überdimensional groß wirkende Schreibmaschine in einem leeren Raum, losgelöst von ihrem natürlichen Umfeld und Kontext. Wir sehen keinen Tisch und wir sehen auch keine weiteren Möbel wie Regale, die man in einem Büroraum vermuten könnte. Den Tasten fehlen die Buchstaben und das Schreibinstrument scheint in dem Farbraum zu schweben. Auf der Front strahlt das Zeichen eines Adler mit ausgestreckten Flügeln, der mit seinen Krallen eine schemenhafte Weltkugel in gelber Farbe an sich gerissen zu scheint und mit ihr davonzufliegen droht.
Das Gemälde ist ein Rückgriff auf eines seiner wohl bedeutendsten Motive der frühen 1950er-1970er Jahre, in denen er Alltags- und Gebrauchsgegenstände malt während seine Zeitgenossen sich der informellen Malerei und den Möglichkeiten der abstrakten Malerei widmen.
»[..] ich [nahm] mir vor, ein Bild zu malen, das sich von dem gerade zur Mode gewordenen Tachismus aufs schärfste abheben sollte. Dem Verschwommenen wollte ich etwas Hartes, Präzises, der lyrischen Abstraktion eine prosaische Supergegenständlichkeit entgegenstellen. Mein Blick fiel auf eine alte Continental-Schreibmaschine. Ich beschloss, sie mit allen Tasten so genau wie möglich abzumalen.«1
Klapheck orientiert sich an Motiven der alltäglichen Umgebung, er malte Nähmaschinen, Bügeleisen, Bohrmaschinen, Fahrräder oder auch Wasserhähne. Die Schreibmaschine fertige er wie auch alle anderen in mehrfachen, unterschiedlichen Ausführungen an, die sich heute unter anderem in bedeutenden öffentlichen und privaten Sammlungen, wie dem Karl-Ernst-Osthaus Museum, Hagen, dem Ludwig Forum für Internationale Kunst in Aachen oder etwa dem Städel in Frankfurt befinden. Klapheck selbst besaß eine Schreibmaschine der Firma Continental, daneben gibt es aber auch Gemälde mit Schriftzügen »Titan« oder »King«, die an die Firmen »Royale« oder »Olympia« anstoßen. So ist auch in unserem Gemälde zu ahnen, dass Klapheck sich einer Schreibmaschine der Firma »Adler« bemächtigt, deren Firmenlogo - ganz dem Namen nach - einen Adler präsentiert und dessen Maschinen ab 1900 als erste Schreibmaschinen deutscher Produktion, zum nationalen und internationalen Verkaufsschlager wurden.
Klapheck ordnet jedem seiner gemalten Gegenstände ein Geschlecht beziehungsweise ein konkretes menschliches Rollenbild zu: »Die Schreibmaschine, dieses Instrument, auf dem die wichtigsten Entscheidungen unseres Lebens gefällt werden, ist bei mir männlichen Geschlechtes. Sie ist stellvertretend für den Vater, den Politiker, den Künstler.«2 Klapheck wählt zwischen weiblichen und männlichen Rollenbildern, sucht aber auch politische, ironische und erklärende Eigenschaften dem Titel beizugeben. Die Titel bieten Anregung für Assoziationen und Inspirationen, darüber hinaus personalisieren sie das Objekt, laden es mit Gefühlen auf und vermenschlichen den zuvor leblosen Gegenstand. Die Möglichkeit der Verfremdung wurde bereits von den Surrealisten erfindungsreich benutzt. Klapheck knüpfte nach zwei Aufenthalten in Paris Mitte der 1950er Jahre Kontakt zu den Surrealisten und Dadaisten. Ihm sind die Werke von Man Ray, Marcel Duchamp, Max Ernst, René Magritte und André Breton wohl bekannt. Wenn jedoch im Surrealismus die Titel ins absurde, geheimnisvolle, teils unverständliche gesteigert werden, wendet Klapheck interpretierende Titel an, die neue Assoziationsräume schaffen und seine unverkennbare Bildsprache unterstützen.
Klaphecks Maschinen-Bilder sind eine bis dato singuläre Erscheinung in der europäischen Kunstgeschichte.
1 Konrad Klapheck, »Die Maschine und ich, 1963, in: Klapheck. Bilder und Texte«, Düsseldorf 2013, S. 26.
2 Ebd.