Marino Marini
Giocolieri e Cavallo
1953
Gouache auf Karton auf Leinwand
63 × 43,3 cm
Signiert und datiert
Registriert in der Fondazione Marino Marini, Pistoia als Nr. 638
dott.ssa Maria Teresa Tosi, Fondazione Marino Marini, Pistoia
Nachlass Marian Crown, New York; Privatsammlung Europa; Privatsammlung Israel
- Galerie Ludorff, "40 Jahre 40 Meisterwerke", Düsseldorf 2015
- Galerie Ludorff (Hg.), "Meisterwerke", Ausst.-Kat., Düsseldorf 2020, Installationsansicht, S. 144
Als Marino Marini im Jahr 1980, vor inzwischen 35 Jahren verstarb, hatte er neben wichtigen Ehrungen und Preisen auch unzählige Ausstellungen seiner Werke in den größten Museen der Welt erlebt. Sein skulpturales, malerisches und graphisches OEuvre entsteht in verschiedenen künstlerischen Entwicklungsphasen zwar zum Teil deutlich voneinander separiert, alle Arbeitsfelder erweisen sich jedoch durch seine lebenslang währende Auseinandersetzung mit wenigen, archetypisch zu nennenden Grundmotiven eng miteinander verflochten. Zentral unter seinen wiederkehrenden Sujets lassen sich die mittlerweile zu ‚Marini-Ikonen’ gewordenen Pferde und Reiter, aber auch jene der Zirkuswelt entstammenden Tänzerinnen und Gaukler nennen. Marinis künstlerisches Interesse an diesen Motiven richtet sich auf zeitlose bzw. überzeitliche Aspekte. In unendlicher Varianz scheint er in seinem gesamten Werk deren Gestalt abstrahierend zu vereinfachen, gleichermaßen auf der Suche nach deren Gehalt ihre essenzielle Form extrahierend. Dabei bleibt er figürlichen Traditionen verpflichtet, ohne die figurative Grundhaltung gänzlich aufzulösen. Trotz der Gleichwertigkeit, die er Malerei, Skulptur und Graphik grundsätzlich als künstlerischen Ausdrucksweisen zuspricht, erleben angewandte Verfahren und Methoden im Laufe von Marinis künstlerischer Entwicklung — und vor allem nach der traumatisierenden Erfahrung des Krieges — eine wachsende Verflechtung: Wie Papier und Leinwand fungieren z. B. auch skulpturale und plastische Arbeiten als Oberfläche für eine Bearbeitung mit Farbe, als Träger von Bezeichnung, die sich ganz in die Tradition des „sgraffiare“, als Einschreiben, als Einritzen oder Einkratzen artikuliert. Daneben kombiniert Marini unterschiedliche graphische Methoden miteinander und montiert auf Papier ausgeführte Arbeiten objekthaft auf Leinwandgrund. Dem Duktus der Zeichnung wie auch der Malerei verleiht er damit früh eine expressive und raumgreifende Bedeutung. Die Verwendung von Farbe trägt zur Bewegung und Emotionalisierung in Marinis Arbeiten bei, entfaltet eine vitalisierende Wirkung gegenüber unfarbigen Partien. Farbe ist eigenständiger Emotionsträger, besteht im Werk unabhängig von Aussagen der Figuration als abstrakte Form. Im vorgestellten Beispiel, so scheint es, haben die in ihrer schematischen Gliedhaftigkeit unvollständig dargestellten Gaukler Mühe, sich vor dem lebhaft gestalteten orangeroten Hintergrund zu behaupten. Die schwarzen, hart konturierten Kreaturen, weisen eine lediglich vage, aus haarfeinen Linien unzusammenhängende, eingekratzt erscheinende und farblich kaum zu definierende Zeichnung auf. Nur diese deutet für einzelne Partien wie Augen, Mund oder Gelenke in kruden, kreisenden Kritzeln und schnellen Strichen an, wo Angelpunkte, Drehmomente und Stabilitäten denkbar sind. So zeugt die reduzierte, mit dem starkfarbigem Grund kontrastierte Figuration, unmissverständlich von nur mühsam zu bewältigender Starre und Versehrtheit ohnmächtig erlebter Nachkriegsjahre: Ein Ringen um Stabilität und Fassung, eine Konterkarierung jeder pathetischen Heroisierung der Figur. Es offenbart sich die Höhe der Kunst Marinis, wenn er die weit zurückreichende figurative Tradition seiner toskanischen Heimat nicht verleugnet, sondern sich auf sie beruft und sie experimentierfreudig abstrahierenden Verfahren aussetzt, um Allgemeingültigem näher zu kommen.