Otto Piene
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1975
Öl und Feuer auf Karton
68 × 48,5 cm
Signiert, datiert und betitelt
Orler Galleria, Italien; Privatsammlung Venedig (seit 2014)
- Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Frühjahr 2020", Düsseldorf 2020
- "Neuerwerbungen Frühjahr 2020", 2500, Galerie Ludorff, Düsseldorf, 2020
Die Themen Licht und Feuer sind omnipräsent im Werk von Otto Piene, der unter anderem als Professor für Umweltkunst und späterer Direktor des Center of Advanced Visual Studies am MIT berufen wurde. Seine intensive Auseinandersetzung mit physikalischen Phänomenen wie Licht, Rauch, Flammen, Raum und Bewegung ist in den Feuerbildern ab den 1960er Jahren klar ablesbar.
Während in seinen bereits 1957 entwickelten Rauchzeichnungen noch mittels eines gezielten Leitens von Rauch durch Löcher in der Malfläche systematisch Licht- und Schattenwerte erzeugt werden, geht Piene in seinen Feuerbildern noch einen Schritt weiter: Hier negiert er beinahe vollständig seine persönliche Handschrift als Künstler, indem er die Werke der unberechenbaren, unkontrollierbaren Energie der Flammen aussetzt. Durch die Hitze des Feuers, das Piene auf den Leinwänden entzündet, entstehen organische Formen, Ausbrennungen, Ringe, Krusten und Blasen, die assoziativ als Blumen, Pflanzen, Fische oder Muscheln lesbar sind.
Obwohl das Feuer jeweils nur wenige Sekunden lang brennt, entscheidet sich in dieser kurzen Zeitspanne, ob ein neues Meisterwerk entsteht oder das Bild unwiderruflich durch die Flammen zerstört wird. Das Abbrennen der Farbe versteht Piene als einen »Prozess, um Neues zu schaffen«1, also als einen positiven, energiegeladenen Vorgang.
Ursächlich für Pienes elementare Auseinandersetzung mit der Natur und ihren schöpferischen Phänomenen sind seine Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg. So sieht Piene beispielsweise Licht – dessen Nutzung in den Luftschutzbunkern während der zahlreichen Luftangriffe unter Strafe stand – als einen Ausdruck von Freiheit.
Diese optimistische Lebenshaltung kommt auch in der 1958 von Otto Piene und Heinz Mack gegründeten ZERO-Gruppe zum Ausdruck: Sie stellt eine »Stunde Null« dar und richtet sich mit ihren reinen Farben ganz entschieden gegen den in den 1950ern vorherrschenden Tachismus und das Informel, die für Piene wegen ihrer düsteren Farbspektren eine Rückgewandtheit und Beschäftigung mit dem Schrecken des Zweiten Weltkrieges ausdrückten.
Auch das vorliegende Gemälde »More« ist von der transformierenden, schöpferischen Energie des Feuers erfüllt und weckt figürliche Assoziationen: So erinnert das intensive Blau an die Tiefe und lichte Klarheit eines Südseemeeres, während sich der blutrote, abgebrannte Farbfleck vom Zentrum aus wie eine Qualle oder eine Lavaquelle nach rechts unten entfaltet.
1 Piene, »Interview«, in: Barbara Engelbach (Hg.), »Die Sonne kommt näher. Otto Piene. Frühwerk«, Ausst.-Kat., Museum für Gegenwartskunst Siegen, Siegen 2003, S. 40.