Rudolf Schlichter

Frau Erika
1939

Rudolf Schlichter, Frau Erika

Bleistift auf Papier

57,5 × 40 cm

Signiert und datiert

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Provenienz

The Piccadilly Gallery, London (1986); Privatsammlung London; Nachlass Privatsammlung London

Ausstellungen
  • Galerie Ludorff, "Drawn World: Zeichnungen von Menzel bis Warhol", Düsseldorf 2019
Literatur
  • Galerie Ludorff, "Drawn World. Zeichnungen von Menzel bis Warhol", Düsseldorf 2019, S. 59

Der am 6. Dezember 1890 in Calw geborene Künstler Rudolf Schlichter steht von Anbeginn im Konflikt mit den tradierten bürgerlichen Wertvorstellungen seiner Zeit. Bereits während seines Studiums an der Kunstakademie in Karlsruhe (1907–09) tritt deutlich zutage, dass Schlichter einen Weg einschlägt, der nicht gefällig, sondern eher anti-idealistisch die Wirklichkeit abbilden möchte. Die Einberufung zum Militär 1916 und die Erlebnisse im Ersten Weltkrieg verstärken seine antibürgerliche Haltung und nähren sein politisches Interesse. 1919 tritt er in Berlin der KPD bei, schließt sich der radikal revolutionären Künstlergruppe »Novembergruppe« an und steht im regen Austausch mit den Berliner Dadaisten. Zu seinem Be­kanntenkreis zählen Intellektuelle wie Alfred Döblin, Carl Zuckmayer oder Berthold Brecht, dessen um 1926 entstandenes Portrait zu den Hauptwerken Schlichters zählt. Nach einer anfänglichen dadaistischen Phase entwickelt er sich in den Folgejahren neben Otto Dix, George Grosz, Christian Schad und weiteren zu den Hauptvertretern der »Neuen Sachlichkeit«, die sich nach dem Ende des Ersten Weltkrieges als Gegenpol zum Expressionismus entwickelt hatte. Im Zentrum des Interesses dieser Künstler steht eine neue gegenständliche Malerei, die einen deutlichen Wirklichkeitsbezug herstellt und mit einem schonungslosen Blick die sozialen Missstände offenlegt. Schlichter, der selbst eine Außenseiterposition in der Ge­sellschaft einnimmt und ein unbürgerliches Leben im Milieu führt, verweist in seinen Werken auf die Misere seiner Zeit. Trotz seiner Abkehr von der Politik und der Zuwendung zum Katholizismus Ende der 1920er Jahre bleibt Schlichter ein »Zerrissener«, dessen Lebensart vom NS-­Regime als unsittlich eingestuft wird. Seine Kunst wird als entartet diffamiert.

Betrachtet man Rudolf Schlichters 1939 entstandene Bleistiftzeichnung »Frau Erika«, begreift man sofort, welch eindrücklicher Portraitist der Künstler ist. Virtuos gibt er das Aussehen der attraktiven Frau im Profil wieder. Die Haare sind frisch frisiert und der vornehme Hut mit der nach oben festgesteckten Gaze deutet auf einen besonderen Anlass hin. Trotz all dem schmeichelt der Künstler der Dargestellten nicht. Er zeigt das Gesehene und schönt weder die große Nase noch das fliehende Kinn. Auch offenbart er durch die Profilansicht, wie der leicht nach Vorne verrutschte, modische Hut mit einem Gummiband geschickt am Hinterkopf Halt findet. Er beobachtet sein Modell in einem unkonzentrierten Moment, in dem sie entrückt in die Ferne zu schauen scheint.

Schlichter zeigt uns in der vorliegenden Arbeit weder das Abgründige seiner Zeit noch legt er irgendwelche Missstände offen. Er zeigt uns jedoch in dieser gefühlvollen Zeichnung all sein Können und die große Leidenschaft, die er für die ehrliche Darstellung des Menschen und für das Festhalten von menschlichen Momenten aufbringt. »Portraits bilden zwar nicht das aktuelle Geschehene oder nur begrenzt gesellschaftliche Phänomene ab, vermitteln aber durch die Personen und die Art der Darstellung eine eigene Form von Zeitzeugenschaft.«1

1 Ilka Voermann, »Der Künstler als Zeuge – Otto Dix und Christian Schad«, S.36–45, in: Kunstmuseum Stuttgart/Staatliche Akademie der Bildenen Künste Stuttgart (Hrsg.), »Das Auge der Welt. Otto Dix und die Neue Sachlichkeit«, Ostfildern 2012, S. 44

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