Carl Hofer
Tesserete (Ticino)
1935
Öl auf Leinwand
64,5 × 79,4 cm
Signiert mit dem Monogramm und "35" datiert
Werkverzeichnis Wohlert/Eisenbeis 2008 Nr. 1178
Atelier des Künstlers; Galerie Nierendorf, Berlin/USA (-1937); Privatsammlung San Francisco (erworben in den 1930er Jahren); Privatsammlung New York (durch Erbfolge in Familienbesitz)
- Galerie Ludorff, Neuerwerbungen Herbst 2022, Düsseldorf 2022
- Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Herbst 2022", Düsseldorf 2022, S. 68
- Karl Bernhard Wohlert/Markus Eisenbeis, "Karl Hofer. Werkverzeichnis der Gemälde", Bd. II, Bonn 2008, Nr. 1178
- Galerie Rosenbach, Kat. 25/1983, Hannover 1983, S. 52 (lt. WVZ mit falscher Provenienz)
Gleich nach dem Ende des Ersten Weltkrieges bereist Hofer zum ersten Mal das Tessin, eine Landschaft, die ihn immer wieder anziehen wird. 1931 kauft er sich hier ein Haus und verbringt bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges seine Zeit wechselweise in Berlin und dort. Hofer, dessen Werk seit Anfang der 1920er Jahre von stärksten seelischen Spannungen erfüllt ist und dessen Malweise von spröden, kantigen Umrissen und gedämpften, herben Farben geprägt ist, durchlebt in den Tessiner Landschaften ein zeitweiliges Aufblühen seiner Palette. Auch unser Gemälde »Tesserete (Ticino)« zählt zu der Reihe dieser bedeutenden Tessin-Bildern. Einsamkeit und Ruhe beherrschen unser Gemälde. Kein Lebewesen ist weit und breit in dieser grün-gelb und blau-violett leuchtenden Landschaft zu erblicken. Der Künstler trägt dabei in seiner typisch ›trockenen‹ Malweise die verschiedenen Töne einer Grundfarbe übereinander mit wenig Bindemittel auf. Die einzelnen Bildelemente wirken wie gebaut und sind dabei voneinander stark separiert. In dieser strengen Kompositionsweise kommt Hofer in die Nähe Cézanne’scher Prinzipien.
Hofer ist in künstlerischer Hinsicht ein Einzelgänger. Seine entscheidenden Vorbilder sind die idealisierende Figurenmalerei des Deutsch-Römers Hans von Marées und die konstruktive Logik Paul Cézannes. Er ist ein Klassizist unter den deutschen Modernen, ein durch bittere Erfahrungen desillusionierter Idealist oder wie er es selbst formuliert: »Ich besaß das Romantische; ich habe das Klassische gesucht.«1 Hofer beginnt mit einem umgrenzten Traum von Schönheit und einer Vision des Klassischen. Und dann ist es das Auftreffen auf die Wirklichkeit, die kulturelle Unterdrückung in der Zeit nach 1933, die diesen Traum jäh zerschlagen soll. Seinem desillusionierten Idealismus entspringen die Bilder, die einsam über die Zeit hinaus für sich stehen. Hofers Streben nach klassischer Schönheit appelliert noch heute an die Betrachter*innen. Die hintergründig gebrochene Harmonie seiner Landschaften, aber auch seiner Portraits, sind Zeugnisse großer Malerei und klassischer Schönheit, die rückblickend umso bedeutender einzuschätzen sind.
1 Carl Hofer zit. in: Hartwig Garnerus, »Karl Hofer (1878-1955)«, Ausst.-Kat., München/Schwerin/Kassel 1998, S. 8.