Christian Awe
brownstone
2013
Acryl und Sprühlack auf Leinwand
220 × 180 cm
Rückseitig signiert, datiert und betitelt
Atelier des Künstlers
- Galerie Ludorff, "40 Jahre 40 Meisterwerke", Düsseldorf 2015
Bei einem ersten flüchtigen Blick erscheint unsere großformatige Arbeit brownstone von Christian Awe wie ein undurchschaubares Durcheinander aus Farbschichten, unbestimmbaren Formen und ornamentalen Flächen. Die verschiedenen Farbflächen schlängeln sich über das Motiv als seien sie zufällig getropft. Tatsächlich sind es tieferliegende Ebenen, die der Künstler durch das Abtragen von darüber liegenden Farbschichten sichtbar gemacht hat. Denn der in Berlin lebende Künstler sprüht, gießt und spritzt die einzelnen Farben in Schichten übereinander und trägt dann in Zwischenschritten einzelne Partien wieder ab, um darunter liegende Malschichten wie ein Archäologe frei zu legen.1 Die Farbe steht als gestaltgebende Materie dabei immer im Mittelpunkt. Oft bereichert Awe seine Abstraktionen um figurative Details bzw. Muster, die er mit Schablonen erzeugt. Die Aussparungen legen den Blick frei auf die im Hintergrund schablonierte Ornamentik und bieten dem Betrachter zugleich Orientierungspunkte bei der Betrachtung. Die konstruierte Zufälligkeit der vielschichtigen und nahezu plastisch erscheinenden Werke des ehemaligen Street-Art Künstlers ist das Ergebnis eines langwierigen, schrittweisen Entstehungsprozesses, der trotz aller Dynamik als sorgsam und wohl bedacht zu bezeichnen ist. Sämtliche Schichten werden im Verlauf des Malprozesses fotografisch dokumentiert, sodass der Künstler stets die Kontrolle darüber behält, wo sich welche Details einer im Verborgenen liegenden Malschicht exakt befinden. Es entstehen sehr feine, reliefartige Strukturen und visuelle Brüche, deren Entstehung sich selbst bei genauem Hinsehen kaum offenbart.
Awe, der bei Georg Baselitz studierte und Meisterschüler von Daniel Richter war, ist begeisterter Kenner der Kunstgeschichte seit 1945. Zweifellos steht seine Arbeit unter Einfluss der Drip-Paintings von Jackson Pollock, der mit den Konventionen der Kunst vor 1945 gebrochen und neue Formen der Abstraktion ermöglicht hat.2 Zugleich steht Christian Awe für eine Generation des Aufbruchs, die die Grenzen des Ausstellungsraums zu sprengen weiß. Malerische Positionen weiterer Vorbilder wie Hans Hartung, Sam Francis und Gerhard Richter greift er voller Begeisterung und Reflektion auf, bringt unterschiedliche Aspekte ihrer Arbeitsweise zusammen und entwickelt diese unter Einfluss der Erfahrung aus dem Graffiti sehr konsequent zu einem eigenständigen, neuen Ganzen weiter.
1 Vgl. Gespräch zwischen Christiane Rekade und Christian Awe, in: Berlin Art Projects (Hg.), „Abstrakte Welten – Sam Francis/ Christian Awe“, Ausst.-Kat., Berlin 2009, S. 7.
2 Vgl. Gabriele Uelsberg, „Konstruktion des Informellen“, in: Galerie Ludorff (Hg.), „Christian Awe. Amour fou“, Ausst.-Kat., Düsseldorf 2014.