Christian Rohlfs
Petri- und Patrocli-Turm in Soest
1906

Öl auf Leinwand
64,5 × 42,5 cm
Professor Dr. Paul Vogt, Essen
Privatsammlung Niedersachsen; Galerie Ludorff, Düsseldorf (1989); Privatsammlung Nordrhein-Westfalen (seit 1991)
- Galerie Ludorff, "Meisterwerke", Düsseldorf 2020
- Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Frühjahr 2020", Düsseldorf 2020
- Galerie Ludorff, "Meisterwerke", Düsseldorf 2020, S. 86
- "Neuerwerbungen Frühjahr 2020", 2500, Galerie Ludorff, Düsseldorf, 2020, S. 122
Im Jahr 1904 kam Christian Rohlfs von Hagen aus das erste Mal nach Soest, wo er in den nächsten beiden Sommern intensiv arbeiten sollte. In Hagen, wo er über drei Jahrzehnte ein Atelier besaß, hatte er sich kaum mit der Stadt und ihrer Architektur beschäftigt, das mittelalterliche Soest aber zog ihn an. So schreibt sein Biograph Paul Vogt: »Der Aufenthalt in Soest mit seinen winkligen Gassen, den eng gelagerten Häusern und den ragenden Türmen der Wiesenkirche, des Patrokli-, Petri- oder Pauliturm, bedeutet für Rohlfs nicht nur ein neues Thema voller ungeahnter malerischer Reize (…) Am Ende des ersten Soester Aufenthalts 1905 schrieb Christian Rohlfs: ›(…) ich habe mich den ganzen Sommer an Soest begeistert und hochgeschwungen (…)‹« A
Diese Begeisterung des damals 56-jährigen, junggebliebenen Malers galt vor allem den Türmen der vier oben genannten Kirchen, die er in Zeichnungen wie auch Gemälden immer wieder festhielt, auch in den späteren Jahren. Das Gemälde Petri- und Patrocli-Turm in Soest von 1906 ist eines der grazileren Werke auf Leinwand. In diesen Jahren bevorzugte er einen Malstil, der sich noch entfernt an der Arbeitsweise van Goghs orientierte, selbstverständlich mit der Rohlfs-eigenen Wuchtigkeit. Diese passte, gleichsam charakterlich, auch zu den mächtigen Türmen und Gebäuden der Stadt, die ihn, trotz seiner Behinderung (durch die Amputation des rechten Beines im Jahr 1873) zu vielen Spaziergängen animierten. Die hier gezeigten beiden Kirchen, St. Patrokli (um 1200 gebaut) mit seinem wuchtigen Turm und das etwas zierlichere St. Petri-Stift auf der rechten Seite (um 1150) finden wir auch in diversen Zeichnungen während seines Soest-Aufenthalts.
Die in dieser schönen Arbeit zelebrierte Malerei von Christian Rohlfs hat mit Bezug auf die Gebäude eine sehr zeichnerische Dimension. Auch die im Vordergrund sichtbaren Bäume sind in ihrer reduzierten Darstellung zeichnerisch hingehaucht, die beiden Türme ragen in einen Himmel, der eine große malerische Wirkung hat. Die Wolken scheinen fast zu tänzeln und durchbrechen so den blauen Himmel. Das Auge blickt auf ein Bild, welches sich in einer optischen Logik aufbaut: von den beiden angeschnittenen Seitentrakten der Kirche über den grünen Baum in der Mitte hoch zum sich majestätisch aufragenden Turm von St. Patrokli.
Mit Emil Nolde und seiner Frau Ada verbrachte Christian Rohlfs einige Abende, man redete viel, allerdings, so schreibt Nolde in »Jahre der Kämpfe«, wenig über Kunst. Von Soest war Nolde weniger angetan, es entstanden einige Radierungen, während bei Rohlfs diese Stadt eine nachhaltige Wirkung für sein späteres Werk hinterließ.
Tayfun Belgin
Direktor des Osthaus Museums Hagen
A Paul Vogt, »Christian Rohlfs, Aquarelle und Zeichnungen«, Recklinghausen 1958, S. 34.

Installationsansicht Galerie Ludorff 2020