Stephan Balkenhol
Kleines Kopfrelief (Frau)
2017
Wawaholz Relief, farbig gefasst
32,8 × 32,8 × 4,4 cm
Rückseitig signiert und datiert
Atelier des Künstlers; Galerie Löhrl, Mönchengladbach (2017); Privatsammlung Deutschland
- Galerie Ludorff, Neuerwerbungen Herbst 2022, Düsseldorf 2022
- Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Herbst 2022", Düsseldorf 2022, S. 24
Denkt man an Stephan Balkenhol, hat man aus Holz gestemmte Menschen vor Augen –Männer und Frauen, die repräsentieren ohne Abbild zu sein, die frei sind von jedem Pathos und auf nichts Anderes verweisen als auf sich selbst. »Hier bin ich«, scheinen sie zu sagen und man fragt sich, »wer bin ich?« Nicht vielen Menschen begegnet man, die so tiefgrabende Selbstbefragungen anstoßen, die konfrontieren, ohne zu handeln, nur indem sie da sind – geschichtslos, still und ohne Emotion. Das Potenzial von Balkenhols Skulpturen liegt genau in dieser Nullstellung. Sie sind die unbesetzte Projektionsfläche, in die man sich selbst ergänzt und die es vermag, bewusst werden zu lassen, was der Skulptur selbst verwehrt bleibt: lebendig zu sein.
Mit seinen holzgeschnitzten Figuren löst sich Balkenhol von vielem, was einst wortwörtlich in Stein gemeißelt war. Entgegen einem ästhetischen Ideal, das die Bildhauerei seit der Antike maßgeblich bestimmte, haben die Figuren des hessischen Künstlers nichts traditionell Schönes an sich. Sie verkünden keine Vollkommenheit, sind kein Symbol des Herrlichen – sie sind der Standard, das Mittelmaß, ein Abriss der Gesellschaft, die in ihrer Allgemeinheit ebenso wenig bestimmbar ist, wie die Figuren selbst. Wider seinen dreidimensionalen Skulpturen, die der Künstler mit dem Beitel aus mächtigen Holzstämmen haut, formt er hier den Menschen im Relief in dicke Holzplatten hinein. Diente die Reliefkunst rückreichend in antike Hochkulturen zuvorderst als vermittelndes Medium, das Geschichten erzählt und in Form von Friesen profane und sakrale Architekturen mit idealisierten Göttern, Heroen und Menschen schmückt, erklärt es Balkenhol zur konkreten Aussage: »Ich bin«. Dass er sich bei der technischen Umsetzung dieser alleingestellten Präsenz auf einen Relieftypus bezieht, der sich weniger im europäischen denn im altägyptischen Raum durchgesetzt hatte, macht seinen künstlerischen Erneuerungswillen deutlich sichtbar. So domestiziert er mit seinen negativ-erhabenen, anonymen Typen, was im klassisch geprägten Tiefrelief noch ideal sein musste. Wie in den abgebildeten Werken aus den Jahren 2012 und 2017, kann dann ein Frauenkopf, befreit von jedem Mythos, sich im Umriss grob markiert zeigen. Starr schauen beide ins Leere, mit ihren verträumten Augen. Sie drängen sich nicht auf, bleiben doch nur im Hintergrund – können kein Vordergrund werden: Sie sind Frauenköpfe im Relief.