Ernst Wilhelm Nay, Purpur und Hellblau

Öl auf Leinwand

160 × 100 cm

Signiert und "61" datiert sowie rückseitig auf dem Keilrahmen nochmals signiert, datiert und betitelt

Werkverzeichnis Scheibler 1990 Nr. 986

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Provenienz

Atelier des Künstlers; Nachlass des Künstlers; Privatbesitz; Galerie Neher, Essen (1985); Privatsammlung Berlin (1990)

Ausstellungen
  • Galerie Ludorff, Neuerwerbungen Frühjahr 2022, Düsseldorf 2022
  • Martin-Gropius-Bau, "Der unverbrauchte Blick: Kunst unserer Zeit in Berliner Sicht", Berlin 29. Januar - 5. April 1987
  • Galerie Neher, "Blickpunkte V", Essen 1985
Literatur
  • Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Frühjahr 2022", Düsseldorf 2022, S. 117
  • Aurel Scheibler, "Ernst Wilhelm Nay – Werkverzeichnis der Ölgemälde" Bd. 2, 1952-1968, Köln 1990, Nr. 986
  • Martin-Gropius-Bau, "Der unverbrauchte Blick: Kunst unserer Zeit in Berliner Sicht", Ausst.-Kat., Berlin 1987, m. Abb.
  • Galerie Neher, "Blickpunkte V", Nr. 53, Ausst.-Kat., Essen 1985, S. 70

»Ein Kolorist ist ein Künstler, der durch die Farbe denkt und die Anschauung durch die Farbe vollzieht« (E.W. Nay)1

Ernst Wilhelm Nay ist ein Maler der Farbe. Sie ist in seinen Werken Element der Gestaltung und regiert das Bild. Nay setzt Farbe so ein, dass sie die Zweidimensionalität der Leinwand betont und keine Tiefenillusion hervorruft. Der Künstler selbst spricht von »Gestaltfarbe«. Diese sei flach, eben, plan, nicht illustrativ oder literarisch, denn erst in der Fläche werde sie unabhängig von ihrer gegenständlichen Bedeutung. So werde sie frei für ihre ursprünglich-sinnliche Wirkung.2

Spätestens mit seiner Teilnahme an den ersten drei documenta Ausstellungen in Kassel3 sowie den Biennalen in São Paulo und Venedig im Jahr 1956 erlangte Ernst Wilhelm Nay großes Ansehen als Künstler der Moderne. Er selbst hat schon zu Lebzeiten sein Werk in Gruppen geordnet und die ihnen zugrunde liegenden Prinzipien publiziert. 1955 erschien sein kunsthistorisches Manifest »Vom Gestaltwerk der Farbe«.

Von seinen ab 1954 entstehenden »Scheibenbildern« sehen wir hier das wundervolle Beispiel »Purpur und Hellblau« von 1961. Seit den frühsten Jahren seines Schaffens verwendet Nay ein eigenes Formenvokabular aus Kreisen/Scheiben, Rauten, Zacken, Spindel/Auge und Händen. »Purpur und Hellblau« wird vor allem durch Farbscheiben gestaltet, die Nay in einer genau kalkulierten Dynamik auf der Bildfläche verteilt. Nay spricht von »positiven« und »negativen Farben«: Positive Farben drängten nach vorne, negative nach hinten und brächten das Bild so zum Schwingen. Durch diesen Effekt schafft Nay Dynamik und einen abstrakten Bildraum, den er »Relief« nennt, der von Farbe, deren Bewegung und Durchdringung bestimmt und teils wieder negiert wird. Nay selbst erklärt den Aufbau seiner Bilder so:

»Die Farben sollen zu Farbkreisen zusammengefasst werden, einer Reihe von gelben Tönen, zitronengelb, kadmiumgelb, ocker, orange wird eine Anzahl von zusammengefassten grünen oder anderen Tönen gegenübergestellt. Es werden sich Passagen ergeben, das Gelbe wird das Grüne durchdringen und umgekehrt, wodurch Farbspannungen entstehen und die Bildfläche dynamisch aktiviert wird (...). Dann das Relief, das dem Bild nicht durch die Struktur, sondern durch die farbige Ordnung, Tiefe und Bildraum gibt und die Möglichkeit, dem Bildraum das scheinbar Dreidimensionale hinzuzufügen, Tiefenangabe durch Höhenangabe zu bekämpfen.«4

Es ist eindrucksvoll, wie der Maler in unserem Gemälde die Dynamik und Raumentwicklung immer wieder bricht. Den bildbestimmenden Purpur, der als positive Farbe vorwärtsdrängt, balanciert Nay durch schwarze Spiralen, die den Blick wieder nach hinten führen, aus. Die schwarzen Flächen an den Rändern, die nach hinten zu drängen scheinen, durchbricht er mit helleren Blautönen, die dem entgegenwirken. Gekonnt setzt er einen Wechsel von pastoser und lasierender, an die Aquarelltechnik erinnernder Farbe ein, um diesen Effekt noch zu steigern.

Gerade das vehemente und temperamentvolle Durchstreichen von Scheibenformen, wie durch die Spiralen in unserem Bild, »macht ihm [Nay] den Weg frei für eine neue, kraftvolle Dramatik seiner Bildgestaltung, die dann 1963, mit dem Aufkommen des Motivs der »Augen«, zu einer anderen Bildfindung führt.«5 »Purpur und Hellblau« entsteht also an einem spannenden Übergang von einer Bildserie des Malers zur nächsten – einer wichtigen Phase seines Œuvres, die die Entwicklung des Malers auf die eindrucksvollste Weise nachvollziehbar macht.

1 Nay zitiert nach Franziska Müller, Ernst Wilhelm Nays »Vom Gestaltwert der Farbe« als Künstlertheorie und Zeitzeugnis, o.O. 2016, S. 114.

2 Vgl. hierzu Nays Ausführungen in seiner Publikation »Vom Gestaltwert der Farbe« aus dem Jahr 1955.

3 in den Jahren 1955, 1959 und 1964.

4 E.W. Nay zitiert nach: E. W. Nay, »Bilder und Dokumente«, Ausst.-Kat., München 1980, S. 99.

5 Elisabeth Scheibler-Nay, »Scheibenbilder 1954-1962«, in: Aurel Scheibler, »Ernst Wilhelm Nay – Werkverzeichnis der Ölgemälde«, Bd. 2, 1952-1968, Köln 1990, S. 62.

Über Ernst Wilhelm Nay

Ernst Wilhelm Nay war einer der bedeutendsten Vertreter der deutschen Nachkriegskunst. Seine Bilder zeigen eine Verwandschaft mit dem Informel.

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