Henri Matisse
Lisette
1930
Bleistift auf Papier
25,5 × 32,5 cm
Signiert
Registriert im Archiv des Künstlers unter der Nr. U 59
Bestätigung von George Matisse, Issy-les-Moulineaux 2023
Familie Matisse (-1967); Victor Waddington, London (1967); Privatsammlung Baden-Württemberg (durch Schenkung in Familienbesitz seit spätestens 1967); Kunstverein Offenburg; Privatsammlung Baden-Württemberg
- Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Herbst 2023", Düsseldorf 2023
- Victor Waddington, "Henri Matisse - Drawings", 21. Apr. - 27. Mai 1967, London
- Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Herbst 2023", Düsseldorf 2023, S. 110
Der französische Maler, Zeichner und Bildhauer Henri Matisse gilt als Begründer des Fauvismus. International bekannt für seine mutige Farbmalerei, hat Matisse auf einzigartige Weise darüber nachgedacht, wie unsere dreidimensionale Welt im zweidimensionalen Medium der Malerei dargestellt werden kann. Seine radikale Vereinfachung der Form ist prägend für die moderne Kunst. In seinen Schriften »Über Kunst« hielt er fest, dass er »von einer Kunst des Gleichgewichts [träumt], der Reinheit, der Ruhe […]; einer Kunst, die für jeden Geistesarbeiter [...] ein Beruhigungsmittel ist, eine Erholung für das Gehirn, so etwas wie ein guter Lehnstuhl, in dem man sich von physischen Anstrengungen erholen kann.« (1)
Neben der bunten und flächigen Malerei blieb das Zeichnen für Matisse lebenslang ein eigenständiger, nicht endender Prozess der Klärung. Matisse war sich dessen schon sehr früh bewusst, denn schon in den allerersten Ausstellungen präsentierte er Zeichnungen. Auch seine ersten großen Verehrer: innen, von Gertrude Stein bis Jacques Doucet, von Marcel Sembat bis Gustave Fayet, wussten das und kauften sie ohne zu zögern. (2)
In seinen Zeichnungen charakterisierte Matisse mit minimalen Mitteln verschiedene Objekte; brachte mit feinen Strichen geschickt lebendig wirkende Körper aufs Papier. Eine extreme Nahsicht lässt das Zusammenspiel als Ausschnitt wirken. Die arrangierten Gegenstände sind der unmittelbaren Umgebung des Künstlers entnommen. Nichts Erdachtes, sondern Geschautes inspirierte den erfahrenen Künstler zum Zeichnen. Mit wenigen, dünnen Linien erfasste er die Umrisse, vermittelte die materielle Qualität und zugleich eine Vorstellung von Gewicht und Volumen.
An seine Tochter und Frau schrieb der Künstler 1929, dass es sich leichter zeichnen ließe als zu malen. (3) Unsere Aktzeichnung »Lisette« entstand 1930, zeitgleich zu seinen Arbeiten an dem Wandgemälde »Dance II« für die Barnes Foundation in Pennsylvania, USA. Lisette war eines der Modelle, das für diese Arbeit posierte. Anders als die vereinfachte Strichzeichnung des Wandbildes sieht man hier die Figur mit Schraffuren und mehrfach angesetzten Linien entstehen. Der Kopf und der Fuß sind vom Blattrand beschnitten, wodurch Nähe und Intimität entsteht. Matisse gelang es, alle Probleme von Fläche und Raum, Volumen und Linie, Licht und Farbe in der Leichtigkeit seiner Darstellung zu lösen. Die Zeichnung ist ortlos, zeitlos und ohne erzählende Handlung.
1 Matisse zitiert nach: Jack D. Flam (Hg.), »Über Kunst«, Zürich 1982, S 149.
2 Dominique Fourcade, in: »Henri Matisse. Zeichnungen und Skulpturen«, Ausst.-Kat., Saarland-Museum Saarbrücken 1991, S. 25.
3 Markus Müller (Hg.), »Henri Matisse. Die Hand zum Singen bringen«, Ausst.-Kat., Kunstmuseum Pablo Picasso, Münster 2016, S. 31.