Max Liebermann, Spielende Kinder am Strand

Öl auf Karton

24,5 × 34 cm

Signiert

Werkverzeichnis Eberle 1995 Nr. 1898/15

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Provenienz

Rudolph Lepke, Berlin (19. Oktober 1920, Los 97); Paul Cassirer, Berlin; E. Arnold, Dresden (seit 1920); Galerie Abels, Köln; Hauswedell, Hamburg (18. Juni 1955, Los 688); Oberbaurat Ernst Otto Hofmann, Alsfeld (bis 1959); Privatsammlung Deutschland; Privatsammlung Großbritannien; Privatsammlung Europa (durch Erbschaft vom Vorbesitzer)

Ausstellungen
  • Galerie Ludorff, Neuerwerbungen Frühjahr 2022, Düsseldorf 2022
Literatur
  • Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Frühjahr 2022", Düsseldorf 2022, S. 107
  • Matthias Eberle, "Max Liebermann. Werkverzeichnis der Gemälde und Ölstudien 1865-1899", Bd. I, München 1995, Nr. 1898/15

Von Lucy Wasensteiner,

Direktorin, Liebermann-Villa am Wannsee, Berlin

Diese Ölstudie zeigt eine Gruppe von Kindern am Strand von Zandvoort, an der holländischen Nordseeküste westlich von Amsterdam. Im Vordergrund spielen zwei kleine Kinder, vielleicht fünf oder sechs Jahre alt, emsig im Sand. Mittig links steht ein älteres Kind, das aufs Meer blickt. In der linken Bildhälfte weiter im Hintergrund spielen andere Kinder umgeben von Strandkörben. Das tosende Meer dominiert den Hintergrund: weitere Figuren, die im seichten Wasser planschen, sind als rosa, weiße und schwarze Farbkleckse angedeutet. Die lockeren Pinselstriche und die reduzierte Farbpalette verleihen dieser kleinformatigen Studie eine erstaunliche Kraft. Man spürt die kühle Meeresbrise; sieht die Küste in blau-graues Licht getaucht; hört das Lachen der Kinder und das Rauschen der Wellen.

Liebermann war schon öfter in Zandvoort im Laufe der 1890er Jahre, meistens mit seiner Frau Martha und Tochter Käthe (geboren 1885). Mal übernachteten sie im edlen Hotel d’Orange, mal in privaten Unterkünften oder kleineren Hotels. Die Dünen des Küstenortes boten Liebermann eine wichtige Kulisse für seine Darstellungen von Holländern bei der Arbeit, seien es die einheimischen Erntearbeiter (z.B. »Kartoffelbuddler in den Dünen von Zandvoort«, 1891, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg) oder ein schreitender Bauer.

Liebermann schätzte aber vor allem die Wochen in Zandvoort als Zeit mit seinen geliebten Martha und Käthe. 1890 reiste er nach dem gemeinsamen Familienaufenthalt für einige Tage allein weiter nach Delden. Von dort aus schrieb er an einen Freund in Berlin:

»Ah wie bin ich froh, von hier weg zu kommen. Ich sehne mich gräulich nach Hause; auch bin ich durch Zandvoort, wo ich stets mit Frau u. Kind zusammen war, so verwöhnt, dass ich’s Alleinsein kaum aushalte.«1

Das vorliegende Bild wurde im Sommer 1898 gemalt. Anfang Juni verließ Liebermann sein Palais am Brandenburger Tor Richtung Holland: während seiner Abwesenheit sollte sein neues Atelier mit gewölbtem Dachfenster im obersten Stockwerk eingebaut werden. Offensichtlich war dem Künstler hierbei etwas unwohl, wie er am 6. Juli an seinen Freund Wilhelm Bode schrieb: »Seit meiner Abreise ist mit dem Bau des Ateliers […] angefangen u da mußte ich selbst die Bilder von den Wänden nehmen, um sie vor den habgierigen Händen der Handwerker zu retten.«2 In dem gleichen Brief beschrieb er einen Aufenthalt in Amsterdam Juni 1898, wo er unter anderem Rembrandts neurestaurierte »Nachtwache« im Rijksmuseum besichtigen konnte: »zum ersten Male konnte ich das Bild ordentlich sehn u. begreifen, warum grade dieses Bild so fabelhaftes Renommée hat«. Dann ging es weiter aufs Land in das Dorf Laren, südöstlich von Amsterdam, wie er Bode schrieb: »ich bin nun seit 10 Tagen wieder in dem weltenrückten Neste, das seit Rembrandts Zeiten im Schlaf gelegen zu haben scheint. Merkliches wird sich seit den 2 Jahrhunderten in dem Dorfe kaum geändert haben«.

Schon dort hatte sich Liebermann auf Darstellungen von Kindern konzentriert, beispielsweise in verschiedenen Studien zum Schulgang in Laren, aber auch Dorfkinder beim Spielen und wie sie bei ihren Müttern Zuflucht suchen. Ende Juli 1898 reiste Liebermann dann weiter nach Zandvoort, wo er an diese künstlerischen Untersuchungen anknüpfte. Das hier angebotene Gemälde gehört zu einer Gruppe von mindestens drei Ölstudien aus Zandvoort, die spielende Kinder am Strand darstellen – interessanterweise eine der frühesten holländischen Arbeitsgruppen, neben den »Badenden Knaben« (ab 1896), in der tatsächlich Strand und Meer dargestellt sind.

Im Sommer 1898 wurde Liebermanns Tochter Käthe dreizehn Jahre alt: vermutlich zu ihrem Geburtstag am 19. August malte Liebermann ein Porträt des Mädchens, das über Jahre in Liebermanns Villa am Wannsee hing und im Zuge der nationalsozialistischen Verfolgung der Fa­milie Liebermann verloren ging. Vielleicht erinnerten Liebermann die Kinder in Laren und Zandvoort an seine eigene Tochter – die so schnell heranwuchs – und an die vergangenen Sommer mit seinem eigenen Kleinkind am Strand der holländischen Küste.

1 Brief Max Liebermann an Thomas Herbst, am 20. September 1890, in: »Max Liebermann. Briefe«, hrsg. von Ernst Braun, Bd. 1 (1869–1895), Baden-Baden 2011, S. 138.

2 Brief Max Liebermann an Wilhelm Bode, am 6. Juli 1898, in: »Max Liebermann. Briefe«, hrsg. von Ernst Braun, Bd. 2 (1896–1901), Baden-Baden 2012, S. 223.

Über Max Liebermann

Als einer der wichtigsten Vertreter des deutschen Impressionismus sind Max Liebermanns Genreszenen, Gartenbilder und Landschaften in großen Museen vertreten.

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