Erich Heckel
Artistin auf der Schaukel
ca. 1910
Pastell, Kreide und Kohle auf Papier
12,5 × 8,7 cm
Rückseitig signiert
Das Werk ist im Erich-Heckel-Archiv verzeichnet
Wir danken dem Nachlass Erich Heckel, Hemmenhofen, für die freundliche Bestätigung der Echtheit des Werkes
Nachlass des Künstlers (-1977); Sammlung Robert & Helga Ehret, Königstein im Taunus (1977-2023)
- Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Herbst 2023", Düsseldorf 2023
- Galerie Ludorff, "Neuerwerbungen Herbst 2023", Düsseldorf 2023, S. 32
Erich Heckel, Mitbegründer der Künstlergruppe »Die Brücke«, zählt zu den bedeutendsten Vertretern des deutschen Expressionismus. Zusammen mit seinen Künstlerkollegen Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff und Fritz Bleyl strebte er bis zur Auflösung der Gruppe im Jahr 1913 danach, den subjektiven, spontanen Eindruck des Geschehens in einer direkten, unverfälschten Form wiederzugeben. Mit dieser Art der Darstellung wandten sich er und seine Mitstreiter:innen ganz bewusst gegen die traditionelle Bildgestaltung der alteingesessenen Akademiekunst.
Unsere mit dynamischen, breiten Kohlestrichen modellierte »Artistin auf der Schaukel« trägt ein pludriges Kostüm, das von einem zarten Fliederton koloriert ist und auf diese Weise – als einziger Farbtupfer im Bild – zugleich akzentuiert wird. Auffallend ist die spielerische, kontrastreiche Strichführung. Sie lebt vom Nebeneinander der geraden Linien im Oberkörper der kleinen Artistin und der Schaukel, die im Gegensatz zu der geschwungenen wellenartigen Ausformung des sich bauschenden Kostüms und zu der aus einer spontanen spiralförmigen Linie entworfenen Frisur stehen. Gekonnt gelingt es Erich Heckel in dieser Arbeit durch die Dynamik seiner Linien und die tänzerisch in der Luft schwebenden Füßchen der Artistin eine anmutige Leichtigkeit zu erzeugen, die für die Betrachtenden das Gefühl des Malers in der lebhaften Manege selbst erfahrbar macht.
Entstanden ist unsere Arbeit um 1910, also zu jener Zeit, als Heckel seiner lebenslangen Partnerin begegnete: der Tänzerin Sidi Riha (bürgerlich: Milda Georgi). Im Jahr 1911 folgt die Übersiedlung des Künstlers von Dresden nach Berlin, die das Großstadtleben und besonders die Zirkuswelt zu Heckels bevorzugtem Bildmotiv machte. In diesem Sinne entdecken wir in unserer dynamisch gestalteten Kohlezeichnung einen frühen Vorgeschmack auf die bis zum Krieg immer intensiver werdende Auseinandersetzung Heckels mit einer Motivik aus Varieté, Tanzlokalen und dem Zirkus, geleitet von dem Bestreben, Bewegung in immer neuen Momentaufnahmen künstlerisch umzusetzen.