9. Oktober 2011 – 1. März 2012
Galerie Ludorff Königsallee 22 Düsseldorf
Meisterwerke des Expressionismus
Keine künstlerische Bewegung im 20. Jahrhundert hat in Deutschland solch einen starken Nachhall gehabt wie der Expressionismus. Der Expressionismus war eine künstlerische Revolution. Alle Künstler, die sich in der Zeit von 1905 bis 1920 dieser neuen Richtung angeschlossen haben, besaßen eine außerordentliche Phantasie, malerische und bildhauerische Kraft. Dies bezeugen sowohl die kraftvollen Stimmungslandschaften eines Emil Nolde wie auch die gesellschaftskritischen Themen von George Grosz.
Tayfun Belgin
Einen absoluten Höhepunkt der Galeriegeschichte stellt die Wiederentdeckung des musealen Gemäldes „Grabender Bauer“ von Heinrich Nauen (1908) dar, das seit über 70 Jahren als verschollen galt. Die außerordentliche kunsthistorische Bedeutung dieses Schlüsselwerks des rheinischen Expressionisten wird durch die äußerst spannende Provenienz noch gesteigert. Die Arbeit befand sich lange Zeit in der Sammlung von Walter Kaesbach, einem renommierten Sammler, Kurator und Kunsthistoriker seiner Zeit. Nach der Schenkung eines Teils der umfangreichen Sammlung 1922 an seine Vaterstadt Mönchengladbach und der Enteignung der deutschen Museen durch die Nationalsozialisten 1937, verliert sich jedoch die Spur dieses besonders ausdrucksstarken und charakteristischen Werks. Es ist äußerst glücklichen Umständen zu verdanken, dass das Gemälde die unruhigen Zeiten des Zweiten Weltkriegs schadlos überstanden hat, sich jahrzehntelang unentdeckt in einer norddeutschen Privatsammlung befand und nun nach über siebzig Jahren erstmals wieder öffentlich gezeigt werden kann.
Dem Motiv des Bauern und der mühevollen Feldarbeit hat sich Nauen mit besonderem Nachdruck gewidmet. Bei unserem „Grabenden Bauern“ ist die thematische und stilistische Nähe zur Malerei Francois Millets und Vincent van Goghs unübersehbar. Der freie Umgang mit der Farbe und der vibrierende Farbauftrag verleihen der Arbeit außergewöhnliche Intensität und atmosphärische Dichte. Das Gemälde wurde in bahnbrechenden Museumsausstellungen seiner Zeit, wie etwa der legendären „Sonderbund“-Ausstellung im Kölner Wallraf-Richartz-Museum 1912 gezeigt, die nun im kommenden Jahr 2012 mit unserem wiederentdeckten Gemälde rekonstruiert werden soll.
„Das grosse Geheimnis, das hinter allen Vorgängen und Dingen der Umwelt steht, wird manchmal nur schemenhaft sichtbar und fühlbar, wenn wir mit einem Menschen reden, in einer Landschaft stehen, oder wenn Blumen oder Gegenstände plötzlich zu uns sprechen. Wir können es nie gestaltlich aussprechen, wir können es nur in Formen oder Worten symbolisch geben.“
Ernst Ludwig Kirchner zit. in: Donald E. Gordon: „Ernst Ludwig Kirchner“, München 1968, S. 117f.
Und genau so verfährt Kirchner in dem Gemälde „Alpenveilchen zu Weihnachten“: Er durchbricht das äußere Aussehen der Blumen. Die stark fokussierten rosa-lachsfarbenen Blüten, die auf einem blauen Tischchen stehen, gibt der Maler aus der Vogelperspektive wieder. Farbe und Form sind expressiv gesteigert und durch die Mehransichtigkeit der Pflanze ordnen sich alle Bildelemente einer Eigengesetzlichkeit des Gemäldes unter und entfernen sich dadurch völlig von einer rein objektiven Widergabe des Gesehenen.
Den Rundgang durch die Malerei des deutschen Expressionismus vervollständigen ausgewählte Arbeiten von Mitgliedern des „Blauen Reiters“:
Als Gabriele Münter im Jahr 1908 den bayerischen Ort Murnau entdeckt, hat das großen Einfluss auf ihre künstlerische Weiterentwicklung. Während eines gemeinsamen Ausflugs mit Wassily Kandinsky in die Umgebung von München gelangen die beiden Künstler rein zufällig in diesen alten Marktort, der bald zu ihrem bevorzugten Ausflugsziel wird. Der Entschluss, ein Haus zu kaufen und sich von der Stimmung des Ortes zum künstlerischen Schaffen inspirieren zu lassen, ist schnell gefasst. Das unterhalb des Staffelsees gelegene Dorf wird Entstehungsstätte ihrer berühmtesten Werke und Hort des höchsten künstlerischen Wirkens und Arbeitens, denn hier erst gelingt Münter der endgültige künstlerische Durchbruch zu ihrer typischen ausdrucksstarken Bildsprache. Den Frühsommer des Jahres 1914 verbringen Münter und Kandinsky noch gemeinsam in Murnau. Nach Kriegsausbruch brechen sie jedoch überstürzt nach München auf, um von dort ins Schweizer Exil zu gelangen. Im Örtchen Rorschach am Bodensee finden Sie vorübergehend eine neue Bleibe und beziehen die leer stehende Villa ihres Münchener Vermieters.
Insgesamt werden über 60 Werke der bedeutendsten Expressionisten wie Max Beckmann, George Grosz, Erich Heckel, Alexej von Jawlensky, Ernst Ludwig Kirchner, Georg Kolbe, Oskar Kokoschka, August Macke, Gabriele Münter, Otto Mueller, Heinrich Nauen, Emil Nolde, Max Pechstein, Christian Rohlfs Karl Schmidt-Rottluff und Georg Tappert gezeigt. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit einer Einführung von Dr. Tayfun Belgin.